Essen. Eifersucht soll eines der Motive für den Tod des Ehemannes in Essen sein. Vor Gericht steht die Frau, eine verschleierte Türkin.

Es ist ein einziger Messerstich, der das Leben des 43-Jährigen auslöschte. Knapp oberhalb des Herzen drang das Brotmesser in seinen Oberkörper, zerfetzte zahlreiche Blutgefäße. Verantwortlich dafür soll seine 35 Jahre alte Ehefrau Ajda A. sein, die am 29. September in der ehelichen Wohnung an der Helenenstraße in Essen Altendorf auf ihn eingestochen haben soll. Seit Montag muss sich die verschleierte Angeklagte wegen Totschlags vor dem Schwurgericht verantworten.

Sie räumt die Tat ein. Schildert einen Streit um Geld, weil der Ehemann für den von ihm einen Monat zuvor in Oberhausen eröffneten Döner-Imbiss Schulden gemacht hatte. Erzählt aber auch, dass sie ihm vorwarf, sie und die Kinder zu vernachlässigen und eine andere Frau zu haben.

Angeklagte will Brotmesser geworfen haben

Aber die von ihr geschilderte Tatausführung passt nicht so ganz zu einem vollen Geständnis. Denn sie will das Brotmesser nur geworfen haben. Aber ein solcher Wurf kann laut Rechtsmedizinerin Iliana Tzimas nicht den von oben nach unten verlaufenden 15 bis 20 Zentimeter tiefen Stichkanal im Oberkörper verursachen. Tzimas: „Das ist höchst unwahrscheinlich.“

Die seit dem Jahre 2000 in Deutschland lebende Türkin Ajda A. spricht gut Deutsch, wird aber gedolmetscht. Ein Foto bei ihrer Festnahme zeigte sie voll verschleiert. Doch diese Kleidung im Gerichtssaal hat sich die Vorsitzende des Schwurgerichtes, Richterin Jutta Wendrich-Rosch, verbeten. Angesichts der Halbverschleierung braucht sie nicht einzugreifen. Hinten im Zuhörersaal nehmen rund 30 Menschen Platz. Weil die Eheleute Cousin und Cousine waren, sind sie mit beiden Seiten verwandt. Ruhig und gefasst folgen sie dem Prozess.

Gericht lehnt Ausschluss der Öffentlichkeit ab

Die Angeklagte hat da mehr Probleme,möchte bei ihrer Aussage die Öffentlichkeit ausschließen lassen. „Es geht um die Zwangsheirat“, sagt ihr Verteidiger Michael Murat Sertsöz. Doch das Schwurgericht sieht das nicht als ausreichenden Grund an.

So beginnt Ajda A. mit leiser Stimme im Angesicht der Verwandtschaft zu erzählen. Gegen ihren Willen sei sie damals von ihren Eltern mit dem acht Jahre älteren Medeni A. verheiratet worden. Aber so richtig wird nicht klar, dass sie mit dieser Situation nicht umgehen konnte. 2000 begleitet sie ihn nach Deutschland. Drei Kinder kommen zur Welt.

Verhältnis zu einer anderen Frau vorgeworfen

Sie erzählt etwas langatmig. Schon nach der Tat hatte sie der Polizei erzählt, dass ihr Mann in jener Nacht wieder einmal erst gegen Mitternacht nach Hause gekommen sei. Sie habe ihm Vorwürfe gemacht, er vernachlässige sie. Und ein Verhältnis mit einer anderen Frau warf sie ihm vor.

Er soll das abgestritten haben, doch sie beharrte darauf und warf sein Handy auf den Boden, außerdem einen Obstteller vor seine Füße. Dann habe sie gedroht, Blut werde fließen, einer von ihnen werde sterben. Er soll gesagt haben, dann töte mich doch. Da habe sie das Brotmesser aus der Schublade geholt und nach ihm geworfen.

Angeklagte: "Ich wollte ihn nicht töten"

Sie habe ihn nicht töten wollen, sagt sie. Und: „Ich habe überhaupt nicht gedacht, dass er tot sein könnte.“ Sie schreibt ihm noch viele liebevolle Äußerungen in seinem Todeskampf zu: „Er sagte, ich habe dich lieb, komm zu mir.“

Der 18 Jahre alte Sohn weiß davon nichts. Er ist nach der Tat selbst kurz als Beschuldigter verdächtigt worden, nachdem er die Feuerwehr gerufen hatte. Er hatte schon geschlafen, war aufgestanden und in die Küche gegangen. Dort sah er seinen Vater, versuchte die Blutung zu stillen. Er stockt, wenn er davon erzählt. Die letzten Worte seines Vaters schildert er: „Ich habe nichts gemacht. Es gibt keine andere Frau.“

Kein Beleg für außereheliche Beziehung

Es gibt wohl auch keinerlei Erkenntnisse über außereheliche Verhältnisse des Vaters. Wie die Eifersucht der Mutter zu beurteilen ist, traut sich das Schwurgericht selbst zu. Einen psychiatrischen Gutachter hat es nicht eingeschaltet.

In letzter Zeit hätten die Eltern häufiger Streit gehabt, erzählt der Sohn weiter. Der Vater habe die Mutter zwar vor Jahren einmal geschlagen, dann aber nie wieder. Die Mutter habe den Vater dagegen oft beschuldigt, eine andere Frau zu haben und Gegenstände wie Vasen und Teller nach ihm geworfen. Mehrfach habe sie ihn auch rausgeworfen, dann habe der Vater im Auto übernachtet.

Nach jedem Streit habe die Mutter zu ihm, dem Sohn, gesagt: „Irgendwann wird einer von uns als Leiche hier rausgehen.“ Zwei weitere Prozesstage sind geplant. Die Schwester des Getöteten nimmt als Nebenklägerin am Prozess teil. Sie hat auch die drei Kinder aufgenommen.