Bochum/Witten. Der Angeklagte wollte nicht töten, soll aber für sieben Jahre hinter Gitter. Im Prozess um den erstochenen Syrer wurden die Plädoyers gehalten.

Für den Tod eines jungen Syrers hat die Anklage sieben Jahre gefordert. Dem Beschuldigten, einem 24-jährigen Deutschen, wirft die Staatsanwaltschaft nach Abschluss der Beweisaufnahme nicht mehr Totschlag vor, aber gefährliche Körperverletzung vor. Sein Anwalt forderte gestern Freispruch.

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Die Annenstraße in Witten musste am Sonntag (8.4.) gesperrt werden.
Von Jürgen Augstein-Peschel & Johannes Pusch

Der 18-jährige Syrer war nach einem Streit in der Nacht auf den 8. April von einem Messerstich in den Hals getroffen worden und auf der Annenstraße verblutet. Bei dem spontanen Messerstich habe kein Tötungsvorsatz vorgelegen, sagte der Staatsanwaltschaft. Sonst hätte er vermutlich ein noch höheres Strafmaß gefordert.

Beschuldigter entschuldigt sich bei Familie des Opfers

„Ich möchte mich bei der Familie des Opfers entschuldigen“, betonte der Angeklagte in seinem Schlusswort. „Ich wollte das nie und es tut mir leid.“Streitpunkt zwischen einer Gruppe Deutscher und einer Gruppe Syrer war eine verschwundene Flasche Wodka gewesen. Man verdächtigte die Flüchtlinge, die Flasche geklaut zu haben – doch sie fand sich nicht bei ihnen. Das spätere Opfer und der Angeklagte gerieten jedenfalls aneinander.

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Zeugen sagten aus, dass der Syrer den Mann am Hals gepackt habe. Daraufhin soll der Angeklagte plötzlich ein Messer gezückt und zugestochen haben Die Klinge traf mit voller Wucht den Hals und durchtrennte eine Schlagader. Eine Notärztin konnte den Mann nicht mehr retten. Der Verteidiger des 24-Jährigen stellte die Tat als Notwehr dar.

Anwalt des angeklagten Witteners spricht von Notwehr

„Mein Mandant wollte sich befreien. Der Griff an seinen Hals war potenziell lebensgefährlich. Er wollte dem Angreifer in den Oberarm stechen, traf aber versehentlich den Hals“, sagte der Verteidiger. Die Gruppe der Syrer sei schon vorher auf eine Prügelei ausgewesen. Die Deutschen seien bereits weggegangen, die Syrer ihnen aber gefolgt. Der Angeklagte sei von dem 18-Jährigen provoziert worden. Der Anwalt beantragte Freispruch. Für den Fall einer Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge forderte er eine deutlich mildere Strafe als von der Staatsanwaltschaft beantragt.

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Ganz anders argumentierte der Nebenkläger als Vertreter der Familie des Getöteten. Es liege auf jeden Fall Totschlag vor, wenn nicht sogar Mord. Der Angeklagte habe arglistig seinem wehrlosen Opfer aus nichtigem Grund bewusst und wuchtig in den Hals gestochen. Den Tod habe er billigend in Kauf genommen. Der Angeklagte habe ihn von seiner angeblichen Panik und Angst nichts spüren lassen. Zeugen hätten ausgesagt, dass er lächelte und relaxt war.

Weiterer Messerstich nicht nachzuweisen

Der Vorwurf, der Angeklagte habe noch einen weiteren Syrer mit dem Messer am Bauch verletzt, sei nicht nachzuweisen, erklärte der Staatsanwalt. Prozesskostenhilfe für eine entsprechende Schmerzensgeldklage lehnte das Gericht ab, da die Ansprüche nicht nachgewiesen seien.

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Der Angeklagte, ein Monteur, sei voll schuldfähig und zur Tatzeit steuerungsfähig gewesen, sagte ein Gutachter (68). Schon als Hauptschüler habe er zu Cannabis gegriffen und durchgehend bis zu seiner Inhaftierung Hasch geraucht. Am Wochenende habe er Freitag und Samstag je zwei bis drei Gramm Cannabis sowie bis zu drei Gramm Kokain konsumiert. Das Schwurgericht kündigte sein Urteil für den 13. November an.