Berlin/Bonn. Kardinal Batzing und Ex-Bundesrichter Fischer argumentieren, warum Woelki richtig handelt, indem er das erste Gutachten nicht veröffentlicht.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hat bei der Aufarbeitung der Affäre um sexuellen Missbrauch im Erzbistum Köln um Geduld bis Mitte März gebeten. Der Limburger Bischof verwies am Dienstagabend in den ARD-„Tagesthemen“ auf die geplante Veröffentlichung eines neuen Gutachtens in etwas mehr als drei Wochen. „Jetzt bleibt uns nichts anderes als zu warten, bis der 18. März kommt“, sagte Bätzing. „Dann können wir uns alle ein Bild machen von der Situation.“
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hatte ein erstes Gutachten zum Umgang von Bistumsverantwortlichen mit Vorwürfen des sexuellen Kindesmissbrauchs gegen Priester in Auftrag gegeben, hält es aber unter Verschluss. Dafür führt Woelki rechtliche Gründe an. Im nächsten Monat soll es deshalb ein zweites Gutachten geben.
Ex-Bundesrichter und Vorsitzender der Bischofskonferenz verteidigen Kardinal Woelki
Bätzing bedauerte, dass das Gutachten zurückgehalten wird. Er glaube Woelki jedoch, „dass er aufarbeiten will, dass er Transparenz will, dass er Vertuscher und Vertuschung beim Namen nennt“. Der Kardinal stehe dann aber auch in der Verantwortung. „Er hat sich entschieden zu warten, bis das zweite Gutachten da ist, aber auch deutlich gemacht: „Dann wird Tacheles geredet. Da wird niemand geschont.“ Darauf werden die Menschen jetzt schauen.“
Der ehemalige Bundesrichter Thomas Fischer hält die derzeitige Welle von Kritik an der katholischen Kirche für überzogen. Dabei gehe es oft nicht mehr um Argumente und Sachfragen, sondern nur noch um Emotionen, sagte der Jurist der Deutschen Presse-Agentur. Dies gelte insbesondere auch für die Vertuschungsvorwürfe gegen den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki. Laut Fischer rechnen Menschen ganz allgemein mit der katholischen Kirche ab und suchen dafür Projektionsflächen.
Fischer: Vertuschung würde unter gegebenen Umständen nicht funktionieren
Fischer sagte: „Offenbar haben ihm seine Berater gesagt, dass das erste Gutachten rechtlich problematisch ist, weil Betroffene dagegen klagen könnten.“ Das Gutachten sei von zwei anerkannten Strafrechts-Professoren geprüft worden, und diese hätten plausible Vorbehalte vorgebracht. „Dass Woelki dann hingeht und sagt „Gut, dann erstellen wir es noch einmal neu“, das finde ich in Ordnung. Ich kann nicht erkennen, dass da zurzeit etwas vertuscht wird. Das würde auch unter den gegebenen Umständen nicht funktionieren.“
Der Strafrechtler sagte weiter, unbestritten habe es in der Kirche viele Fälle von Machtmissbrauch und sexuellen Übergriffen gegeben. „Und natürlich war auch die Aufklärung mangelhaft.“ Das gelte allerdings auch für andere Institutionen wie organisierten Sport, Pädagogik oder Psychotherapie.
„Katholische Geistliche sind nicht besser oder schlechter als andere Menschen“
Derzeit fokussiere sich die Diskussion aber auf die katholische Kirche und insbesondere Woelki. „Ich finde: Immer wenn man mit der Moral hantiert, sollte man erstmal auf den eigenen Verantwortungsbereich schauen. Es ist sehr einfach, in einer aufgeheizten Situation die ganze Entrüstung auf eine einzelne Figur zu konzentrieren.“
Die Kirche sei natürlich fehlbar, sagte Fischer, der sich selbst als „tief ungläubig“ bezeichnet. Der ehemalige Bundesrichter fügte hinzu: „Katholische Geistliche sind nicht besser oder schlechter als andere Menschen. Insgesamt muss man aber sehen, dass die Kirche den Anspruch hat, das Gute im Menschen zu fördern.“ Unhistorische Generalabrechnungen seien daher verfehlt. (dpa)