Oberhausen.. Erst war sie seine Geliebte, dann sollte Marita Lorenz Fidel Castro vergiften. Doch die Liebe war stärker und Lorenz spülte die Tabletten die Toilette hinunter. Am Donnerstag eröffnete die gebürtige Bremerin eine Ausstellung über weibliche Spione in Oberhausen.


Marita Lorenz weiß es alles noch, als wäre es gestern gewesen. Dabei war es 1959. Ein Tag im Februar. Heiß und wolkenlos. Wie so oft vor Kuba, wo das deutsche Kreuzfahrtschiff „Berlin“ gerade Anker geworfen hat. Ihr Vater, „der Papa“, ist der Kapitän, die damals 19-Jährige darf ihn begleiten. Es ist ein Tag wie im Paradies. Es ist der Tag, an dem sie Fidel Castro trifft. Er wird ihr Leben verändern. Für immer. Bis heute.

Gestern sitzt sie im Spionagemuseum von Oberhausen, ist herübergekommen aus New York, um als Ehrengast die Sonderausstellung „Intime Blicke“ zu eröffnen. Grau ist der Himmel draußen, und manchmal zieht sie sich frierend die Strickjacke enger um ihre Schulter. Jetlag hat sie in den Knochen und vielleicht auch eine kleine Erkältung. Aber als sie die Vitrinen sieht mit den Zigarren, dem Rum und den alten Fotos, da ist das alles vergessen. „Kommt mal her“, winkt die 75-Jährige ihre Kinder Mark und Monica heran. „Hier werden Erinnerungen wach.“

Castro kommt zur Mittagszeit mit einem Boot. Will erst Fische fangen, dann an Bord. Sie steht an der Reling, lehnt ab. „Deutsches Schiff“, ruft sie runter. „Aber in kubanischem Wasser“, schallt es zurück. Castro kommt nach oben. „So ein hübsches Gesicht“, erinnert sich Lorenz. „Es war Liebe auf den ersten Blick.“ Zwischen den Rettungsbooten kommt es zum ersten Kuss, für mehr bleibt keine Gelegenheit. Schon um Mitternacht fährt die „Berlin“ weiter Richtung New York. Dort ruft Castro sie an. „Komm zurück“, bittet er. „Ich wäre nach Kuba geschwommen“, sagt Lorenz. Muss sie aber nicht. Fidel schickt einen Flieger. „Ich bleibe nur eine Woche“, beruhigt sie ihren Vater. Am Ende sind es acht Monate.

Der bärtige Rebell und seine neue deutsche Freundin leben im Havanna Hilton, Zimmer 2048. Che Guevara wohnt mit ständig wechselnder weiblicher Begleitung nebenan. Castro hat nur sie. Sie ist verliebt, er „ein guter Liebhaber“, aber „sehr faul“.

Er will sie zur „Königin von Kuba“ machen. Am Ende macht er sie unglücklich. Als die junge Frau von Castro ein Kind erwartet, wird sie von Unbekannten zu einer Zwangsabtreibung verschleppt. Wenig später klopft die CIA bei ihr an die Tür, sie zeigen ihr Bilder von Babys und sagen: „Sieh dir an, was Castro dir weggenommen hat. Komm zu uns. Du kannst dich rächen.“

Lorenz kommt. Der Geheimdienst gibt ihr Pillen mit Schellfischgift. „Tu sie Castro ins Glas“, sagen die Agenten ihr. Sie kennen die Vergangenheit der Deutschen, wissen, dass sie als Kind im Konzentrationslager war, weil ihre Mutter Zwangsarbeiter befreite. Wissen, dass sie als Siebenjährige von einem Soldaten vergewaltigt wurde. „Wer das überstanden hat, der kann auch Castro töten“, sagen sie. Lorenz kann es nicht. Er muss sie nur ansehen, da spült sie die Pillen im Klo herunter. Die Beziehung kann das nicht mehr retten.

Bei der CIA aber will man sie nicht mehr gehen lassen. Sie weiß zu viel. Lorenz muss bleiben, wird zur Kurierin. Kofferweise holt sie Geld für den Kampf gegen den Kommunismus ab. Auch beim ehemaligen venezolanischen Militärdiktator Marcos Pérez Jiménez, dem sie den Kopf verdreht. Tochter Monica ist das Ergebnis der Liaison.

Mittlerweile hat die 75-jährige Platz in einem gemütlichen Ohrensessel genommen. Ein guter Platz zum Reden. Mal auf Englisch, mal auf Deutsch, grammatikalisch nicht immer ganz sauber, nach wie vor mit erkennbarem Bremer Akzent und alles andere als chronologisch. „Wenn ich einmal anfange, kommt schnell eines zum anderen“, sagt sie. Jedenfalls sprudeln die Geschichten aus ihr heraus, als hätte sie jemand mit einem kleinen Schlüssel im Rücken aufgezogen. Aber genau da vermutet sie einen geheimen Peilsender der CIA. Ein Scherz, aber: ,Die wollen immer noch wissen, wo ich bin“, führt Lorenz aus. „Ich bin ein offener Fall.“ Weil sie – wenn auch schon vor vielen Jahren – ausgestiegen ist und ausgepackt hat.

Über die Ermordung John F. Kennedys zum Beispiel. „Ich war nicht dabei, als es passierte“, sagt sie. Aber nur ein paar Tage zuvor will Lorenz mehrere CIA-Agenten nach Dallas gefahren haben. „Auch Ozzy“, wie sie den Todesschützen Lee Harvey Oswald nennt. „Nein“, sagt sie, „Ozzy hat nicht alleine gehandelt. Das Attentat war eine Verschwörung. Irgendwann wird das auch herauskommen.“

Sie hofft, dass sie dann nicht mehr in den USA lebt. Nicht mehr in dieser kleinen, dunklen Wohnung in Queens haust, mit ihrem kleinen Hund, den sie „John Doe“ nennt. 700 Dollar Rente und „Essensmarken“ bekommt sie. „Hätte ich Castro getötet, wären es 3500 Dollar.“

Zurück nach Deutschland will sie, „am liebsten nach Bremerhaven“. Und da ist noch ein Wunsch. „Noch einmal Fidel umarmen, das wäre schön.“ Nach all dem, was passiert ist. Sie zuckt die Schultern. Was soll sie machen? „Ich habe nie wieder jemanden so geliebt wie ihn.“