Essen. . Zwei Leichen, vier bis fünf Konflikte und ein enorm hohes Tempo: Dem Bodensee-Tatort, der als gemächlich gilt, hat die merkbare Beschleunigung in der neuen Folge am Sonntag keinen Vorteil gebracht. Dabei lag in seiner konzentrierten Ruhe in früheren Zeiten seine Stärke.

Vielleicht hat man dem Bodensee-Tatort ja einmal zu oft vorgeworfen, er sei allzu gemächlich. Eine vordergründige Kritik übrigens, denn aus seiner konzentrierten Ruhe und einer Entschleunigung, die Platz lässt für gut erzählte Geschichten, bezieht er oft genug seine Stärke. Die düstere Folge „Nachtkrapp“ über ein Schullandheim in Angst von 2012 gehört zu den besten Tatorten der letzten Jahre.

Was soll man nun sagen: In „Winternebel“ (So., 20.15 Uhr) von Jochen Geve (Drehbuch) und Patrick Winczewski (Regie) ist das Tempo relativ hoch, freilich ohne Til-Schweiger-Geschwindigkeit zu erreichen, wir zählen gleich zu Beginn zwei Leichen und im Fortgang vier bis fünf Konfliktherde. Oder sind es sieben? So oder so: Es sind einfach zu viele.

Lüthi verliert die Übersicht

Der Nebel wabert einmal mehr über den Bodensee und über seine Ufer hinweg. Aber wo er die südlichste Tatort-Reihe sonst mit einer beinahe mythischen Atmosphäre unterfüttert, dient er diesmal nur etwas platt dem Verlust der Übersicht: Mattheo Lüthi (Roland Koch), der stets so selbstsichere Schweizer Ermittler, kommt schwer ins Stammeln, weil er behauptet, einen Verbrecher in Notwehr erschossen zu haben, nur, weder Waffe noch Schmauchspuren werden beim Toten gefunden.

Kollegin Klara Blum aus Konstanz, die Eva Matthes stets mit einer routinierten Entspanntheit ausstattet, hinter der ein wacher Verstand regiert (ehe ihr kurz vor Schluss des Falls doch mal so richtig der Kragen platzt), will dem Polizisten glauben. Man spürt ja, dass sie ihn trotz seiner nassforschen Auftritte schon lange ins Herz geschlossen hat. Oder hat er möglicherweise vorschnell abgedrückt, weil er mit dem Mann noch eine Rechnung offen hatte?

Frau entführt

Unweit findet die Polizei einen zweiten Toten, und natürlich hängen die Fälle zusammen. Dass man den Zweiten, kurz bevor er erschlagen wurde, mit einer Frau gesehen hat, die offensichtlich einer Entführung zum Opfer gefallen ist, macht die Dinge kompliziert. Umso mehr, da die schwerreichen Eltern zwar an einer Lösegeldübergabe arbeiten, aber der Polizei gegenüber stur darauf beharren, dass ihr Kind in Australien sei.

Der Polizeikollege mit undurchsichtiger Vergangenheit, die zerstrittenen Eltern in der größten Ehekrise, eine kaputte Vater-Tochter-Beziehung, ein zweitklassiger Entführer und viele verwirrende Spuren, daraus schaffen Geve und Winczewski keine Einheit, stattdessen hinterlassen sie ein Sammelsurium von Inhalten, dem man zusehends leidenschaftsloser beiwohnt. Als die Geschichte dann endgültig auf der Stelle tritt, wird das Drehbuch mit einem Wettrennen gegen die Zeit aufgemotzt, das aber auch nicht fesseln kann, schon weil man weiß, wie es ausgehen wird.

So bleibt uns vielleicht von diesem missratenen Tatort nur die hübsche Szene in Erinnerung, in der Blum und der ausnahmsweise herumjammernde Lüthi ein paar Flaschen Bier und eine Currywurst an der Bude vernichten. Da ist sie wieder, die Ruhe, die wir am Bodensee immer so geschätzt haben.