Moskau. . Jelena Serowa geht an diesem Donnerstag in die Luft, genauer gesagt: ins All. Die 38-Jährige ist die erste Frau, die für Russland zur Internationalen Weltraumstation ISS fliegt. Auf den ersten Blick wirkt sie spröde. Doch auf Fachfragen reagiert sie mit ungebremstem Charme.

Ihr Haar hat sie zu einem strengen Dutt gebunden, die Lippen sind ungeschminkt, die Wimperntusche über ihren weit auseinander stehenden Augen glänzt umso schwärzer. Jelena Serowa, 38, erinnert an die Heldinnen sowjetischer Science-Fiction-Filme. Am Donnerstag wird sie als erste Russin seit 17 Jahren in den Kosmos starten. Gemeinsam mit einem russischen und einen amerikanischen Kollegen fliegt die Kosmonautin vom Weltraumbahnhof Baikanur zur Internationalen Weltraumstation, wo sie 170 Tage verbringen soll. Das Vaterland feiert sie schon als kosmischen Star.

Die USA schickten 46 Frauen ins All, Russland bisher drei. „Angefangen mit den Shuttle-Flügen haben die Amerikaner Mannschaften von fünf, sechs Astronauten formiert, da ist eine Frau leichter unterzubringen“, sagt der Moskauer Weltraumexperte Igor Lissow unserer Zeitung.

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Acht Jahre Warteschlange

„Unsere Besatzungen bestehen nur aus drei Kosmonauten. Und die Mediziner stellen hohe Anforderungen an ihre körperliche Belastbarkeit.“ Vor allem ungeplante Reparaturarbeiten im offenen All trauten viele russische Fachleute Frauen weniger als Männern zu.

Jelena Serowa aber hat alle Leistungstests überstanden und acht Jahre Warteschlange. „Eine relativ kurze Frist“, ihr Lächeln ist reserviert, „viele Kosmonauten mussten viel länger warten.“ Die Fragen der Journalisten beantwortet sie geduldig, sachlich und etwas langweilig. Kein Glamourgirl, eher eine sowjetische Physikdozentin. Vielleicht gerade deshalb passt sie ins neupatriotische Heldenschema. Ein Pilotenkind aus dem Dorf Wosdwischenka im russischen Fernen Osten, das ihrer Politiklehrerin mit Begeisterung lauschte, wenn sie die neuesten Errungenschaften der sowjetischen Weltraumfahrt verkündete, später am berühmten Luftfahrtinstitut studierte.

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Mit mädchenhaftem Charme

Längst ist sie selbst mit einem Kosmonauten verheiratet, erzieht ein Töchterchen, das einmal Eiskunstläuferin werden will, verwendet besonders gern das Wort „verantwortungsvoll“ und schwärmt von der Kosmonautentradition, sich vor dem Start ins All unbedingt den sowjetischen Filmklassiker „Die weiße Sonne der Wüste“ anzusehen. Wladimir Potowkin, der 2013 wegen diverser kosmischer Pannen entlassene Chef der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos, soll den Start der Serowa massiv gepuscht haben. Eine Vorzeige-Russin, fotogen, kompetent und patriotisch. „Während andere auf Facebook diskutieren, wie sie aus Russland rauskommen, setzt sie den Raumfahrerhelm mit unserer Trikolore auf“, lobt die kremltreue Zeitung „Prawda“.

Jelena Serowa selbst aber schert der Ruhm wenig, sie begeistert sich lieber an den Details ihrer künftigen Forschungsexperimente auf der Weltraumstation, etwa der Untersuchung von Treibstoffresten auf den Sichtfenstern. „Darin wurden lebendige Bakterien entdeckt, eine davon kommt nur in der Ostsee vor.“ Nun wolle man mit Wissenschaftlern auf der Erde die Frage beantworten, wie die Kleinstorganismen dort gelandet seien. „Vielleicht erwartet uns eine Sensation. Vielleicht erfahren wir, wie das Leben auf die Erde gekommen ist.“ Serowas Augen leuchten, sie lächelt jetzt mit hemmungslosem, sehr mädchenhaften Charme.