Monrovia. . Ebola beansprucht die ohnehin raren Gesundheitszentren in den betroffenen Regionen für sich. Für Geburten oder andere Patienten ist kein Platz. Immer mehr Babys sterben und immer mehr Kranke, die eigentlich leicht zu behandeln wären.

Tag für Tag klopfen hochschwangere Frauen beim Ebola-Notfallzentrum von Ärzte ohne Grenzen (MSF) in Monrovia an und bitten verzweifelt um Hilfe. Sie kommen nicht wegen einer möglichen Ebola-Infektion. Die Frauen wissen schlicht nicht, wo sie ihr Kind zur Welt bringen sollen. In Liberias Hauptstadt liegt das öffentliche Gesundheitswesen am Boden, viele Krankenhäuser sind geschlossen. Das Personal ist selbst an Ebola erkrankt oder geht nicht mehr zur Arbeit – aus Angst, selbst zu erkranken.

Eine fatale Situation, sagen die Helfer. „Das hat zur Folge, dass es nun auch immer mehr Menschen gibt, die an behandelbaren Krankheiten wie Malaria oder Durchfall sterben. Und bei Geburten gibt es kaum noch Möglichkeiten für Kaiserschnitte“, sagt Mariano Lugli, Direktor für Internationale Einsätze der Hilfsorganisation.

Hunderte Neuinfektionen

Als die Seuche vor Monaten in Guinea ihren Anfang nahm, wurden dort viele lokale Gesundheitsstationen zunächst bewusst geschlossen. „Denn viele Leute steckten sich dort aus Unwissenheit an. Erst mussten die Helfer trainiert und Schutzmaterial bereitgestellt werden“, berichtet Lugli, der im April selbst in Guinea im Einsatz war. Doch mit der schnellen Ausbreitung ließ sich kaum Schritt halten.

Auch interessant

In Guinea hat sich die Lage momentan etwas stabilisiert, in Liberia und Sierra Leone aber schaukelt sie sich weiter hoch. Allein in der vergangenen Woche wurden Hunderte Neuinfektionen registriert – und die Dunkelziffer ist hoch.

Schon jetzt platzt die jüngst aufgebaute 120-Betten-Isolierstation aus allen Nähten, wurde auf 160 Betten erweitert -- und muss dennoch Patienten abweisen. Sie ist eines von fünf speziellen Ebola-Behandlungszentren, die MSF in Guinea, Sierra Leone und Liberia betreibt – und damit bisher ganz allein vor Ort aktiv ist.

„Am schwierigsten ist es, dort Kinder zu behandeln. Man kann wegen der Schutzanzüge wenig Kontakt zu ihnen herstellen und muss sie von ihrer Familie trennen. Das ist schlimm. Manche Infizierte kommen ja auch in einem noch guten Zustand zu uns, können noch laufen. Doch dann verschlechtert sich ihre Situation rapide, sie sterben in der Isolation“, sagt Lugli. Jetzt arbeitet die Hilfsorganisation an neuen Strategien, um die Angehörigen einzubinden und den Kontakt zu den Erkrankten zu ermöglichen. „Aber dazu brauchen wir dringend mehr Personal“, betont er. „Nach einem Erdbeben wäre es undenkbar, dass es nur so wenige Orte gibt, an denen Menschen mit lebensbedrohlichen Erkrankungen behandelt werden können“, sagt auch Lindis Hurum, Notfallkoordinatorin der Hilfsorganisation in Monrovia.

Auch interessant

Eine Herausforderung ähnlich wie der Tsunami

Im Kampf gegen Ebola fordern die Vereinten Nationen eine konzertierte Aktion der internationalen Gemeinschaft. Der Ausbruch in Westafrika sei eine ähnlich große Herausforderung wie der Tsunami im Indischen Ozean 2004 oder das Erdbeben in Haiti 2010, sagte Vize-Generalsekretär Jan Eliasson am Dienstag in New York. „Es ist eine der schwersten Gesundheitskrisen, die die UN je zu bewältigen hatten. Die Situation ist kritisch, ängstigend, aber wir werden es schaffen.“

Dieser Ausbruch sei „größer, komplexer und ernster als alles, was wir in der 40-jährigen Geschichte von Ebola gesehen haben“, sagte die Chefin der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Margaret Chan. „Etwa 3500 Fälle, etwa 1500 Tote – solch eine Dimension hatte es noch nie. Diesmal sind auch erstmals dicht besiedelte Gebiete betroffen, das ist die besondere Herausforderung." Die Welt müsse helfen. "Es ist eine globale Bedrohung. Aber dieser Ausbruch kann und wird kontrolliert werden. Wir wissen, was zu tun ist, und wir werden es tun."

Ärzte ohne Grenzen: Die Welt reagiert zu langsam

Die UN bestätigten, dass Schiffe Liberia und Sierra Leone wegen Ebola meiden, viele Fluggesellschaften fliegen die Region nicht mehr an. "Isolierung ist nicht die Antwort. Dann gefährdet man die in den vergangenen Jahren teuer erkauften Erfolge beim Aufbau der Wirtschaft", sagte UN-Koordinator David Nabarro. Die Ängste vor Ebola seien verständlich, die Infektionsgefahr sei aber mit den nötigen Schutzmaßnahmen beherrschbar. Für die betroffenen Länder stehe die Zukunft auf dem Spiel.

Dagegen kritisierte die Organisation Ärzte ohne Grenzen (MSF; Médecins Sans Frontières), die Welt habe viel zu spät und zu langsam reagiert. "Staaten mit der Möglichkeit, auf einen solchen Ausbruch zu antworten, müssen sofort Experten und Material in die betroffenen Regionen schicken", hieß es. "Die bloße Ankündigung von Spenden oder das Einfliegen von ein paar Experten lösen das Problem nicht", sagte MSF-Chefin Joanne Liu. (dpa)