Iserlohn. Hunderte Millionen hat Musiker und Aktivist Bob Geldof bereits für Afrika gesammelt. Doch der 64-Jährige ist keineswegs fertig. Er kämpft für die Schwachen - und poltert immer wieder gegen die Mächtigen. Anfang September kommt er zum Campus Symposium nach Iserlohn.
Neulich, bei der Welt-Aids-Konferenz in Australien, da hat er sich mal wieder in Rage geredet. Hat geschimpft über Putin, über die bösen Banken, über die Macht des Kapitals und die Ohnmacht des kleinen Mannes. Bob Geldof redet sich gerne in Rage. Demnächst wird der Musiker, Künstler und Aktivist 64 Jahre alt, aber seine Power hat nicht gelitten unter einem anstrengenden, von Schicksalsschlägen geprägten Leben (über die er sich heute nicht mehr äußern möchte). Er poltert gerne, das gehört zu seinem Image. Im Interview mit unserer Redaktion legt er sogar noch eine Schippe drauf, überschüttet den russischen Präsidenten mit Adjektiven, die Familienzeitungen nicht so gerne drucken.
Müssen wir dann auch gar nicht. Denn plötzlich möchte Geldof die meisten Zitate nicht mehr auf Papier lesen. Warum, das sagt er nicht. Vielleicht hat der Ire gemerkt, dass die Politik in der Ukraine, in Israel, in Europa gar nicht so sein Thema ist.
Er hat das Bewusstsein geschärft für eine Region, die als unterentwickelt galt
Sein Thema ist Afrika. Der Wandel. Das Positive. Hunderte Millionen Euro hat Geldof, der mit der Band „The Boomtown Rats“ und dem Lied „I Don’t Like Mondays“ Mitte der 70er-Jahre berühmt wurde, über das von ihm initiierte Hilfsprojekt Live Aid und den Mega-Weihnachtshit „Do They Know It’s Christmas?“ für den sogenannten Schwarzen Kontinent gesammelt. Er hat Menschenleben gerettet, er hat das Bewusstsein im Rest der Welt geschärft für eine Region, die einst als rückständig, als „unterentwickelt“ galt.
„Wir müssen Afrika auf Augenhöhe begegnen“, sagt Geldof heute. „Dazu gehört, dass wir den Menschen dort mit Respekt begegnen. Afrika braucht unsere Unterstützung, aber viel mehr in Partnerschaft und nicht von oben herab diktiert oder durch die Verteilung von Almosen.“ Der afrikanische Kontinent gehöre momentan zu den „spannendsten Regionen“ der Erde. „Die Zukunft der Welt wird sich in Afrika entscheiden“, sagt er.
Afrika sei im Umbruch. „Bei meinen Reisen stelle ich immer wieder fest, wie sich auch die politischen Strukturen gewandelt haben.“ Der autokratische Führungsstil sei in vielen Ländern verschwunden. Die Wirtschaft mache Fortschritte. „Es entstehen viele Startups, von denen wir hier in Europa lernen können und vor allem stelle ich immer wieder fest, dass die Afrikaner uns in Sachen Kreativität weit voraus sind. Ich habe neulich einen Bericht gelesen über zwei Frauen aus Mosambik, die Mode aus Altkleidern machen. In der Zwischenzeit sind die großen Konzerne darauf aufmerksam geworden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Idee in kürzester Zeit den internationalen Markt erobern wird.“
Aufsehen erregt er heutevor allem als poltitischer Aktivist
Das ist alles gut. Ebola ist schlecht. Die Seuche macht ihm Sorgen. Die „internationale Gemeinschaft muss mit voller Kraft aktiv werden“, fordert Geldof. „Wir dürfen dies nicht einzelnen Ländern überlassen. Wenn es heutzutage eine Bankenkrise gibt, schaffen wir es innerhalb kürzester Zeit, einen Rettungsschirm für Banken oder verschuldete Länder zu organisieren. Wir brauchen einen humanitären Rettungsschirm für solche Fälle. Uno, das internationale Rote Kreuz, die Staatengemeinschaft und sonstige Organisationen müssen an einem Strang ziehen und innerhalb von kürzester Zeit agieren. Ebola darf nicht die Geißel der Menschheit werden.“
Geldof gibt zwar noch Konzerte, doch Aufsehen erregt er heutzutage vor allem als Aktivist. Wenn er sich in Rage redet – und die Worte nicht zurückholen kann, weil er sie vor Publikum ausgesprochen hat. Mal sehen, was er beim Campus Symposium am 4. und 5. September an der privaten Hochschule BiTS in Iserlohn vom Stapel lässt.
Sprechen möchte er dort über Menschlichkeit. „In unserer schnelllebigen Zeit bleibt Menschlichkeit immer mehr auf der Strecke“, sagt Geldof. „Wir beschäftigen uns mit Gewinnprognosen und dem Untergang von Banken, aber wir verlieren völlig aus den Augen, dass jeden Tag unzählige Kriege die Welt dominieren.“ Nie hatte er damit mehr Recht als in diesen Tagen. (mako)