Essen. Eine Werbekampagne der Bundeswehr auf „Bravo.de“ und „Bravo Sport“ sorgt erneut für Proteste. Organisationen wie die Kindernothilfe wollen solche Anzeigen für Minderjährige verbieten und das Rekrutierungsalter erhöhen. Jährlich melden sich rund 1000 Teens unter 18 zur Ausbildung – auch an der Waffe.

„Du bist ein Team-Player und körperlich top fit?“ Mit dieser Frage sucht „Bravo.de“ in einem Artikel keine Fußballspieler oder Tanzbegeisterte, sondern Bewerbungen für einen Ausflug auf einem NATO-Stützpunkt. Dort wo sonst Foto-Lovestorys, Dr. Sommer und Popstar-Gossip für Teenies zuhause sind, wirbt die Bundeswehr für ein Sommercamp beim taktischen Ausbildungskommando der Luftwaffe auf Sardinien. Jugendschutzorganisationen sind sauer.

Mit Begriffen wie „Adventure“ kann Anja Weber nicht viel anfangen. Für die Kinderrechtsexpertin bei der Kindernothilfe und Sprecherin des Deutschen Bündnis Kindersoldaten haben Bilder von Teenagern mit Rettungswesten über dem Bikini nichts mit dem tatsächlichen Truppenalltag zu tun. „Minderjährige sind weder psychisch noch körperlich für den Militärdienst geeignet. Durch Auslandseinsätze kurz nach ihrem achtzehnten Geburtstag drohen ihnen lebenslange Schäden“, erklärt sie.

Minderjährige werden beim Bund auch an der Waffe ausgebildet

Tatsächlich ist Deutschland eines der wenigen Länder in der EU, dass Jugendlichen bereits nach ihrem 17. Geburtstag gestattet, freiwillig und mit Einverständniserklärung der Eltern bei der Bundeswehr einzutreten. Laut aktuellen Zahlen melden sich rund 1000 Unter-18-Jährige jedes Jahr beim Bund und werden auch an der Waffe ausgebildet.

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Obwohl ein Ausschuss der Vereinigten Nationen vergangenen Februar Deutschland in einer offiziellen Erklärung aufforderte, jegliche Bundeswehrwerbung bei Minderjährigen zu verbieten und das Rekrutierungsalter auf 18 Jahre zu erhöhen, blieben Maßnahmen der Politik aus. Im Gegenteil: Vom Bundesverteidigungsministerium unter der Leitung von Ursula von der Leyen gibt es keine Anzeichen, dass an der hiesigen Gesetzgebung gerüttelt werden soll.

Seit Jahren plagt die Bundeswehr ein massives Nachwuchsproblem. Bereits 2012 schaltete sie deshalb solche Camp-Anzeigen bei der "Bravo" und löste diese schon damals eine Protestwelle aus. Der Verlag sah die Kritik gelassen - kein Wunder: So gab die Bundeswehr für zwei Kampagnen damals fast 245.000 Euro aus. Das Kult-Jugendmagazin, die Teenager im Alter von 12 bis 17 als Zielgruppe hat, aber auch schon von Jüngeren gelesen wird, beklagt seit Jahren stark sinkende Auflagenzahlen.

"Beim Camp geht es nicht um Rekrutierung"

Die Bundeswehr kann die Kritik an ihrer Werbung in Jugendmedien verstehen, allerdings habe das Camp in ihren Augen wenig mit Krieg und Kampfeinsätzen zu tun, sagt ein Sprecher der WAZ. „Wir wollen den Jugendlichen vor allem die Möglichkeit bieten, sich mit den Soldaten vor Ort in Gesprächen austauschen zu können. Sie sollen Fragen stellen, wie es zum Beispiel ist, so lange weit weg von der Familie zu sein. Darüber hinaus umfasst das Programm auf Sardinien vor allem sportliche Wettkämpfe wie Strandlauf, Beachvolleyball oder Tauziehen. Wir bieten Bootsfahrten an, zeigen über dem Meer wie es ist, an einem Fallschirm zu hängen, zelten und führen vor, wie so ein Rettungseinsatz auf dem Meer verläuft.“

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Auch Torsten Schulz vom "Bravo"-Verlag Bauer Media Group kann den Ärger um die laufende Kampagne auf "Bravo.de" und in "Bravo Sport" (Print, Mobile und Online) nicht verstehen. „Die 'Bravo' ist seit 2006 Kooperationspartner des Jugendmarketings der Bundeswehr. Diese Kampagne ist an Jugendliche zwischen 16 und 19 gerichtet und für Jüngere irrelevant. Diese dürfen und können sich auch nicht für das Adventure Camp bewerben. Die Bundeswehr ist Teil der Zivilgesellschaft und bietet ein breites Angebot an Ausbildungsberufen an und wirbt dafür in einer Vielzahl von Medien, darunter auch in 'Bravo'. Als Jugendmedienmarke sind wir uns der Verantwortung für unsere Leser und Nutzer bewusst und nehmen diese sehr ernst. Wir prüfen sehr genau, welche Werbung und welche Inhalte in unseren Medien erscheinen und haben auch diese Kampagne vorher mit dem Jugendmarketing der Bundeswehr überprüft. Die zielgruppengerechte Ansprache der Kampagne erfolgt über Begriffe wie 'Sport', 'Action' und 'Teamgeist'. Von 'Fun' ist beispielsweise nicht die Rede. Bei dem Camp geht es um ein Kennenlernen der Bundeswehr und nicht um Rekrutierung."

Die Bundeswehr erklärte auf Nachfrage, dass eine Anmeldung zur Bundeswehr am NATO-Stützpunkt in Sardinien nicht möglich sei. Dies kann lediglich in Deutschland an den dazu berechtigten Stellen erfolgen. Normale Broschüren und Info-Materialien würden jedoch für die Jugendlichen ausgelegt.

Werbung mag "legal", muss aber "realitätsnah" sein

Als die "Bravo" online vor Monaten erneut einen mit „Anzeige“ gekennzeichneten Bundeswehr-Camp-Artikel veröffentlichte, schaltete sich die Kindernothilfe nicht ein, sagt Anja Weber der WAZ. Der damalige gekaufte Content seien in Sachen Text und Bebilderung näher an der Realität gewesen als heute. „Wir sind generell gegen Bundeswehr-Werbung für Minderjährige. Sie mag zwar aktuell noch legal sein, doch in unseren Augen muss sie dann auch realitätsnah und ausgewogen gestaltet sein. Das ist in unseren Augen diesmal erneut nicht der Fall.“ In einer gemeinsamen Erklärung kritisieren mehrere Organisation die derzeitige redaktionelle Werbung scharf.

Die Kinderhothilfe will weiter den Dialog mit der Politik suchen und rief zu Online-Protesten auf. Sie hofft in Zukunft Zeilen wie "so cool ist das Camp" nicht mehr lesen zu müssen. Noch hält sich der Shitstorm der Kids jedoch in Grenzen.