Essen. Grüne und fair gehandelte Mode boomt. Von ihrem Müsli-Image hat sich die Bio-Kleidung verabschiedet. Längst gibt es Kollektionen für jeden Geldbeutel und für jeden modischen Anspruch. Die eigentliche Krux: Es gibt kein Zertifikat am Markt, das sowohl “bio“ als auch “fair“ gleichzeitig garantiert.
Für Verbraucher ist der Markt kaum noch zu durchschauen. Wer beim Kleider-Einkauf Ausschau hält nach fair gehandelten Öko-Textilien, sieht sich mit einer Vielzahl von Siegeln, Zertifikaten und Herstellerversprechen konfrontiert. Unzählige Label buhlen um die Gunst der Käufer.
Sie versprechen wahlweise grüne Baumwolle, anständige Bezahlung der Näherinnen oder Textilfarben ohne Gift. Wem aber kann man trauen, wo verspricht der Einkauf nicht nur das grüne Gewissen zu beruhigen – sondern Umwelt und Arbeitnehmerrechte in der Textilindustrie tatsächlich angemessen zu berücksichtigen?
C&A ist der größte Abnehmer von Bio-Baumwolle
Kirsten Brodde von Greenpeace setzt sich schon länger intensiv mit dem Thema auseinander. Sie hat aller Unübersichtlichkeit zum Trotz eine gute Nachricht für Verbraucher: „Man muss heute weder nackt noch barfuß rumlaufen, um sich ökologisch und ethisch korrekt anzuziehen“, sagt Brodde. „Und einen Kredit aufnehmen muss man auch nicht.“ Von ihrem Müsli-Image hat sich Öko-Kleidung längst verabschiedet.
Sie muss auch nicht teurer sein als konventionelle Textilien, deren Baumwolle mit Insektiziden behandelt wurde und womöglich Arbeiter in Bangladesh ins Elend treibt. Grüne und faire Kleidung gibt es inzwischen für nahezu jeden modischen Anspruch und Geldbeutel, hat Brodde beobachtet.
Öko-Neulingen, die sich vor ihrem ersten Einkauf nicht erst stundenlang mit Siegeln beschäftigten und auch nicht so viel Geld ausgeben wollen, empfiehlt die Greenpeace-Expertin für den Anfang einen Besuch bei den großen Ketten. C&A etwa ist heute schon der weltweit größte Abnehmer von Bio-Baumwolle. 110 Millionen Bio-Kleidungsstücke verkauft C&A inzwischen im Jahr und erwirtschaftet damit 38 Prozent seines Umsatzes. H&M setzt ebenfalls schon länger auf Bio-Baumwolle zu günstigen Preisen. Allein: „Die Auslobung Bio-Baumwolle bedeutet zunächst nur, dass die Fasern ökologisch produziert wurden“, warnt Öko-Test. Bei der Färbung können trotzdem noch Chemikalien zum Einsatz kommen. Und über die Löhne der Baumwollpflücker und Näherinnen ist damit auch noch nichts bekannt.
Die „Armed Angels“ aus Köln sind ein gutes Beispiel
Hierin liegt heute die eigentliche Krux für die Kunden. Es gibt noch immer kein Zertifikat am Markt, das sowohl „bio“ als auch „fair“ gleichzeitig garantiert. „Beste Bioqualität“ versichern nach Auffassung von Greenpeace die Label „GOTS“ und „IVN Best“. Die soziale Seite decken demnach „Fairtrade“ und die „Fair Wear Foundation“ (FWF) am besten ab. „Fair“ und „Öko“ im Doppelpack finden Verbraucher nach Beobachtungen von Greenpeace-Expertin Brodde vor allem in der wachsenden Szene der kleineren Modelabels.
Hier seien inzwischen zahlreiche sehr engagierte Anbieter unterwegs. Ein Beispiel ist Armed Angels. Die „bewaffneten Engel“ aus Köln setzen auf GOTS und Fairtrade, also auf Biobaumwolle, den Verzicht auf Chemikalien bei der Weiterverarbeitung und faire Arbeitsbedingungen. Dafür zahlen Kunden natürlich mehr als bei C&A oder H&M, haben aber die Gewissheit, allen Ansprüchen sehr umfassend Genüge zu tun.
Das größte Angebot gibt’s im Internet
Wem die Streetwear vom Rhein zu modisch daherkommt, der kann sich zum Beispiel bei Hess Natur umsehen. Die Hessen haben vor bald 40 Jahren mit grüner Babykleidung angefangen und sind damit der Öko-Veteran der deutschen Textilbranche. Hess bietet für seine etwas konservativeren Kleidungsstücke die Öko-Siegel GOTS und IVN Best an und garantiert „FWF“ für die sozialen Standards.
In großen Städten findet man viele kleinere, sehr engagierte Modegeschäfte, inzwischen zunehmend auch in kleineren Städten, online ist die Auswahl der auf grüne und faire Mode spezialisierten Shops am größten. Auf dem Online-Marktplatz Avocado Store etwa tummeln sich mehr als 300 Anbieter.
Noch ist der Anteil von Biobaumwolle auf dem Weltmarkt gering. Erst rund ein Prozent der verarbeiteten Baumwolle stammt heute aus grünen Quellen. Doch die Nachfrage wächst stetig. In Deutschland hat sich der Umsatz der letzten Dekade mehr als verzehnfacht. Kritiker fürchten nun, dass der Textilbranche – ähnlich wie der Lebensmittelbranche – über kurz oder lang der erste Skandal ins Haus steht.
Greenpeace hält die Kontrollen insgesamt jedoch für gut. „Dass in einem wachsenden Markt so etwas passiert, ist immer möglich“, konzediert Brodde. „Das sollte jedoch keine Entschuldigung dafür sein, auf Öko-Kleidung zu verzichten.“
Was die Siegel und Zeichen bedeuten
GOTS steht für Global Organic Textile Standard: Das Siegel zertifiziert Textilhersteller, die Kleidung aus biologisch erzeugten Naturfasern produzieren und umweltfreundlich weiterverarbeiten. Sozialkriterien finden ebenfalls Berücksichtigung. Der Internationale Verband der Naturtextilwirtschaft (IVN) gibt das Qualitätszeichen BEST heraus, das ebenfalls sehr hohe ökologische Ansprüche stellt, zugleich aber auch auf soziale Kriterien achtet. Greenpeace-Expertin Kirsten Brodde veröffentlicht in ihrem Blog eine Grüne Liste, mit der sich, sortiert nach Postleitzahlen, zahlreiche grüne Modelabel und Geschäfte finden lassen: www.kirstenbrodde.de