Köln. Juristisch korrekt, journalistisch fragwürdig: RTL verbannte nach einem Gerichtsurteil zu Drittanbietern “stern TV“ und “Spiegel TV“. Ausgerechnet, nachdem Investigativ-Rechercheur Günter Wallraff einen Image-Erfolg für RTL einfuhr. Doch die Entscheidung ist umkehrbar.
Die Entscheidung kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel – und das Publikum war wie vom Donner gerührt. Nachdem RTL das vorläufige Aus von „stern TV“ und „Spiegel TV“ verkündet hatte, brach – auch unter Nutzern unseres Online-Portals – ein Sturm der Entrüstung los. Die Entscheidung sorgt für Empörung, der Hintergrund für Verwirrung.
Der Reihe nach. Als das gerade gegründete Privatfernsehen Ende der 80er zunehmend an Bedeutung gewann, war Medienpolitikern klar, dass RTL & Co. vor allem auf Unterhaltung setzen würden. Die zuständigen Landesmedienanstalten wollten indes komplett informationsfreie Programme verhindern. Daher zwangen sie die Privaten, sogenannten Drittanbietern Sendeplätze frei zu halten.
"stern TV" mit ansehnlichen Quoten
Das führte dazu, dass RTL 1990 gleich zwei Info-Formate auf den Bildschirm hievte: „stern TV“ und „Spiegel TV“. Während die Fernsehversion des Hamburger Nachrichtenmagazins sonntagabends mit mäßigem Erfolg läuft, bescherte „stern TV“ den Kölner Privatfunkern in der Regel ansehnliche Quoten. Vorigen Mittwoch, beispielsweise, erreichte Moderator Steffen Hallaschka rund zweieinhalb Millionen Zuschauer. Sowohl beim Gesamtpublikum als auch bei den Seh-Leuten unter 50 lag der Marktanteil klar überm Senderschnitt.
Das Aus für die beiden Informationssendungen kam für die meisten Beteiligten überraschend. Vorausgegangen war ein Streit um deren Sendeplätze. Bisher wurden sie von der Produktionsfirma dctp bespielt – zum Unmut von „Focus TV“. Die Münchner waren leer ausgegangen. Erst litten und dann klagten sie.
Das zuständige Oberlandesgericht Lüneburg gab aber keiner der beiden Seiten Recht. Vielmehr sah das Gericht einen Formfehler und teilte mit, RTL müsse vorerst keine Sendungen von Drittanbietern zeigen.
Der Marktführer unter den Privaten reagierte prompt. Am Sonntagabend wurde „Spiegel TV“ durch einen quotenstarken Spielfilm ersetzt. Ob aber die Doku „Generation Luxus – was kostet die Welt“ auch nur annähernd so reichweitenstark ist wie „stern TV“, darf bezweifelt werden.
Medienaufseher beraten bald
Dazu kommt, dass RTL ausgerechnet in einer Situation den Stecker für Info-TV zieht, da sich Senderchef Frank Hoffmann mit dem Image-Erfolg des massenattraktiven Investigativ-Rechercheurs Günter Wallraff brüstet.
Das Ende von „stern TV“ und „Spiegel TV“ dürfte aber nicht endgültig sein. Die für RTL zuständige Landesmedienanstalt Niedersachsen soll Anfang kommender Woche den Formfehler beheben. Man werde, hieß es auf Anfrage, „ergebnisoffen“ beraten.