Bochum.. Unser Kiefer hat eine gewaltige Kraft: Mehrere hundert Kilo wirken auf die Zähne, wenn Menschen nachts die Zähne übermäßig zusammenbeißen oder hin und her knirschen. Betroffene klagen häufig über Kopfschmerzen oder Kieferbeschwerden. Aufbiss-Schienen allein reichen oftmals nicht aus.

So mancher wird durch zu starkes Zähneknirschen aus dem Schlaf gerissen, andere bemerken es gar nicht. Dass man mal knirscht und die Kaumuskulatur stärker anspannt, ist nicht ungewöhnlich – viele Menschen machen dies aber regelmäßig und vor allem nachts. Zahnmediziner sprechen dann von Bruxismus.

Viele Patienten hätten einen wahren Ärztemarathon hinter sich, um der Ursache von Kopf- und Gesichtsschmerzen, Druckgefühl im Kiefer und empfindlichen Zähnen auf den Grund zu gehen, sagt Professor Hans-Peter Jöhren, Zahnmediziner und Leiter der Zahnklinik Bochum. „Dabei wird in der Zahnmedizin die psychosomatische Komponente noch viel zu wenig beachtet“, sagt Jöhren. Die Detailfrage, warum manche Menschen so exzessiv knirschen, ist noch nicht geklärt. Eines kristallisiert sich in der Wissenschaft aber mehr und mehr heraus: „Stress, wirkt sich massiv auf unseren Kauapparat aus“, sagt Hans-Peter Jöhren. Nicht umsonst gebe es so viele Sprichwörter, die genau dies ausdrücken: „Die Zähne zusammenbeißen“, „sich durchbeißen“.

Auch die Bundesärztekammer weist in einem Leitfaden auf die Bedeutung von „Psychosozialen Stressfaktoren“ beim Bruxismus hin. Wenn Betroffene lange Zeit ihre Zähne nachts unbewusst malträtieren, kann der Zahnarzt im schlimmsten Fall schon sehen, wie sich die Kauflächen abgenutzt haben. Schmelzrisse bilden sich, die zu einer Überempfindlichkeit der Zahnhälse führen können.

Die Aufbiss-Schiene

Die Beschwerden, die Bruxismus auslöst, sind auch bei anderen Erkrankungen zu finden. „Zum Beispiel der Clusterkopfschmerz zeigt eine ähnliche Symptomatik“, sagt Hans-Peter Jöhren – oder auch Kieferfehlstellungen. Deswegen sei eine Abklärung bei verschiedenen Fachärzten, wie Neurologen, Orthopäden und Hals-Nasen-Ohren-Ärzten wichtig. Der Zahnarzt kann durch ein Ausschlussverfahren, also wenn keine andere Ursachen im Bereich der Zähne zu finden sind, die Diagnose stellen. Außerdem sollte er den Kiefer auf seine Funktion testen. Hierbei tastet der Arzt die Kaumuskulatur ab und achtet auf Knack- und Knirschgeräusche, die man eventuell bei unterschiedlichen Kieferbewegungen hören kann.

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Eine bekannte und gängige Behandlungsmethode, um die Zähne vor den „Beißattacken“ zu schützen, ist das Anpassen einer Aufbiss-Schiene. Dieser durchsichtige Überzug aus Kunststoff wird vor dem Schlafengehen über die Zähne gestülpt. Damit wird der Druck auf den Zähnen verringert. „Genauso wichtig wie die Schiene ist aber die vorherige Diagnostik“, sagt Professor Jöhren. Dass die Schiene die Zähne schützt sei unbestritten – aber damit würde die Ursache eben nicht bekämpft. Wichtig ist, dass die Schiene richtig sitzt und keine Frühkontakte bestehen, die den Kiefer in eine weitere Anspannungslage bringen – in dem Fall kann der Zahnarzt eingreifen, indem er die Schiene nachbessert. In eher seltenen Fällen seien heutzutage schlecht angepasste Kronen und Füllungen die Ursache für Bruxismus – „unser Kausystem verzeiht uns da schon einiges“, sagt Hans-Peter Jöhren. Wobei es vereinzelt Menschen gebe, die extrem sensibel auf Veränderungen im Biss reagieren.

Übungen gegen Verspannung

Ist die Hauptursache in einer chronischen Anspannung zu finden, greifen hier Maßnahmen, die erstmal ganz allgemein den Muskeltonus dämpfen und entspannen. Die progressive Muskelentspannung ist eine Möglichkeit von vielen, auch die Kiefermuskulatur zu entlasten. Außerdem gibt es speziell ausgebildete Physiotherapeuten, die „Knirschern“ Übungen für den Kiefer beibringen.