Frankfurt/Main. Erstmals geht der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels an einen Vordenker aus der digitalen Welt: Der US-Autor Jaron Lanier wird die renommierte, mit 25 000 Euro dotierte Auszeichnung am 12. Oktober in der Paulskirche zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse entgegennehmen.
Lanier, einst ein Pionier des Internets, zählt inzwischen zu dessen schärfsten Kritikern.
Lanier habe erkannt, welche Risiken die Digitalisierung für die freie Lebensgestaltung eines jeden Menschen habe, teilte der Stiftungsrat des Preises am Donnerstag in Frankfurt mit. In seinen Büchern weise der 54-Jährige auf die Gefahren hin, "die unserer offenen Gesellschaft drohen, wenn ihr die Macht der Gestaltung entzogen wird und wenn Menschen, trotz eines Gewinns an Vielfalt und Freiheit, auf digitale Kategorien reduziert werden".
Der einstige Technologie-Guru, der als Vater des Begriffs "virtuelle Realität" gilt, war als Unternehmer an zahlreichen digitalen Entwicklungen beteiligt. Lanier, dessen äußeres Markenzeichen seine Dreadlocks sind, hat sich auch als Musiker und Bildender Künstler einen Namen gemacht. Er lebt in der kalifornischen Universitätsstadt Berkeley bei San Francisco.
Sein jüngstes Buch ("Wem gehört die Zukunft?") sei ein Appell, wachsam gegenüber Unfreiheit, Missbrauch und Überwachung zu sein, heißt es in der Begründung für die Preisvergabe weiter. Der digitalen Welt müssten Strukturen vorgegeben werden, um die Rechte des Individuums zu achten und die demokratische Teilhabe aller zu fördern.
Lanier beschäftigt sich vor allem auch mit dem Missbrauch der Sammelwut von Daten für kommerzielle Zwecke. Das Internet ist aus seiner Sicht zu einem Herrschaftsinstrument geworden, das nur noch einigen wenigen Konzernen gehört.
Mit dem seit 1950 vergebenen Friedenspreis des Deutschen Buchhandels wird eine Persönlichkeit aus dem In- oder Ausland geehrt, die vor allem auf den Gebieten Literatur, Wissenschaft und Kunst zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen hat. Mit der Auszeichnung an Lanier schlägt der Börsenverein auch eine Brücke zur digitalen Welt, die auch die Buchbranche derzeit vor eine Herausforderung stellt.
Ziel der Auszeichnung sei es immer gewesen, brisante Themen aufzugreifen, sagte der Vorsteher des Börsenvereins, Heinrich Riethmüller, der dpa. "Die Überwachung im Internet und das Sammeln von Daten großer Konzerne bewegt uns alle." Die Entscheidung des neunköpfigen Stiftungsrats, dessen Vorsitzender Riethmüller ist, sei zugleich als Zeichen gegen die Ökonomisierung des Internets zu sehen. Auch die Diskussion um die Sammelwut des US-Geheimdienstes NSA gehöre in diesen Zusammenhang.
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel nannte die Friedenspreisvergabe eine kluge Entscheidung. Die Analyse Laniers, der die digitale Wirtschaft mittlerweile als destruktiven Monopolkapitalismus beschreibe, müsse dringend diskutiert werden.
Die Auszeichnung wird traditionell zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse verliehen. Zu den bekanntesten Preisträgern gehören Albert Schweitzer (1951), Hermann Hesse (1955), Astrid Lindgren (1978), Siegfried Lenz (1988), Mario Vargas Llosa (1996), Jürgen Habermas (2001), Orhan Pamuk (2005). Im vergangenen Jahr ging die Auszeichnung an die weißrussische Schriftstellerin und Regimekritikerin Swetlana Alexijewitsch.