Brüssel. . Warum der Mann im Jüdischen Museum in Brüssel um sich schoss, bleibt weiterhin unklar. Über den Hintergrund der Tat gibt es bis jetzt nur Spekulationen. Doch zielten Mutmaßungen auch auf offizieller Seite vorwiegend in Richtung Antisemitismus. Unter den Toten ist ein Touristen-Paar aus Israel.

Das Viertel um den beschaulichen Platz Grand Sablon ist besonders am Wochenende Anziehungspunkt für Besucher aus dem In- und Ausland: ein gehobener Flohmarkt, viele Antiquitäten- und Pralinen-Läden, Cafés und Restaurants locken bei schönem Wetter Tausende an. Nur wenige Schritte entfernt, in einer Seitenstraße Richtung Justizplast, liegt das Jüdische Museum, am Samstagnachmittag Schauplatz eines blutigen Dramas mit unklarem Hintergrund.

Nach den spärlichen Informationen von Polizei und Staatsanwaltschaft sowie ersten Augenzeugen-Berichten hatte der Täter schon vor dem Gebäude das Feuer eröffnet. Im Inneren erschoss er dann ein israelisches Touristen-Ehepaar aus Tel Aviv und eine Französin, die als Hilfskraft im Museum arbeitete. Der diensthabende Angestellte an der Rezeption, ein junger Belgier, erlag nach Darstellung der Tageszeitung Le Soir später seinen Verletzungen. Dem Schützen, auf dessen Motive nur der Tatort deutete, gelang die Flucht.

Bevölkerung soll sich an der Suche beteiligen

Einen zunächst als verdächtig festgenommenen Mann ließ die Polizei wieder frei. Mittels eines Phantombildes wurde die Bevölkerung aufgerufen, sich an der Suche nach dem Täter zu beteiligen. Synagogen, jüdische Schulen und die israelische Botschaft in Brüssel wurden mit Absperrungen gesichert und von Sonderposten rund um die Uhr bewacht.

Belgien war in den achtziger Jahren Schauplatz einer Serie terroristischer Anschläge, darunter 1989 die Ermordung eines jüdischen Gemeinde-Oberhaupts. Seither ist Antisemitismus im Königreich trotz der Umtriebe einiger rassistischer Klein-Gruppen und fremdenfeindlicher flämischer Nationalisten aber kein sonderlich prominentes Thema.

Im Wahlkampf hatte die Frage im Vordergrund gestanden, wie stark die flämischen Separatisten diesmal abschneiden und ob sie womöglich erstmals den Premierminister stellen würden. Dennoch zielten Mutmaßungen zum Attentat auch auf offizieller Seite vorwiegend in Richtung Antisemitismus. Sie „vermute stark“, dass dies Tatmotiv gewesen sei, erklärte Innenministerin Joelle Milquet. Philippe Markiewicz, Präsident der Israeliten-Gemeinde in Brüssel sprach von „einer Tat gegen die jüdische Gemeinschaft“. Die lebe schon seit längerem in Sorge vor gezielten Anschlägen.

„Hetze gegen Juden und ihren Staat“

Joel Rubinfeld, Präsident der belgischen Liga gegen Antisemitismus, sagte, antijüdische Töne würden immer unverblümter auch in der Öffentlichkeit geäußert. Er nannte als Beispiel Auftritte des umstrittenen Komikers Dieudonné und des Parlamentsabgeordneten Laurent Louis, eines radikalen Anti-Zionisten und Holocaust-Leugners. Auch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat keine Zweifel: „Diese mörderische Tat ist das Ergebnis einer permanente Hetze gegen Juden und ihren Staat.“

„Belgien ist ein friedvolles Land“, meinte hingegen die sozialistische Politikerin Simone Susskind unweit des Museums. Sie ist Mitglied der Jüdischen Gemeinde in Brüssel. „Solch eine Gewalt sind wir nicht gewohnt.“