Pretoria. Paralympics-Star Oscar Pistorius muss in einer Psychiatrie untersucht werden. Damit geht es in dem Mordprozess gegen ihn nun auch um die Frage einer Schuldfähigkeit. Eine intensive Angststörung hatte eine Psychiaterin ihm bereits bescheinigt. Einen Monat lang wird Pistorius untersucht.
Überraschende Wende im Mordprozess gegen Oscar Pistorius: Der 27-Jährige wird zu einer intensiven Untersuchung in die Psychiatrie eingewiesen. Dies sei auch ein Gebot der Fairness gegenüber dem Angeklagten, betonte Richterin Thokozile Masipa am Mittwoch in Pretoria. Die für einen Monat vorgesehene Beobachtung in einer psychiatrischen Einrichtung soll Aufschluss über die Schuldfähigkeit des 27-Jährigen geben. Die Psychiaterin Merryl Vorster hatte zuvor als Zeugin der Verteidigung Pistorius eine intensive Angststörung bescheinigt.
Das Gericht folgte mit der Einweisung dem Antrag des Staatsanwalts. Einzelheiten will die Richterin am kommenden Dienstag bekannt geben. Sie könne sich vorstellen, dass Pistorius ein Tagespatient werde, das bedeutet, dass er jeweils am Abend wieder nach Hause darf. Pistorius befindet sich nach Zahlung einer Kaution seit Ende Februar 2013 in Freiheit.
Beobachtung ermögliche "fairen Prozess"
Der behinderte Profisportler wird beschuldigt, am 14. Februar 2013 seine Freundin Reeva Steenkamp ermordet zu haben. Pistorius beteuert, er habe durch eine verschlossenen Tür geschossen, weil er dahinter einen Einbrecher vermutete.
Die Richterin begründete ihre Entscheidung mit der nicht auszuschließenden Möglichkeit, dass Pistorius nicht voll schuldfähig sein könnte. Auch wenn die Verteidigung bisher nicht so argumentiert habe, könne nach der Aussage Vorsters nicht ausgeschlossen werden, dass die Angststörung des Angeklagten sein Handeln in der Tatnacht massiv beeinflusst hätte. "Ich bin überzeugt davon, dass Oscar Pistorius möglicherweise schuldunfähig sein könnte", sagte Masipa. Eine Beobachtung in der Psychiatrie würde sicherstellen, "dass Oscar Pistorius einen fairen Prozess bekommt".
Ein Sieg für den Staatsanwalt?
Die Entscheidung des Gerichts bewerten Rechtsexperten als Sieg für den Staatsanwalt. Kommen die Psychiater zu dem Ergebnis, Pistorius sei schuldfähig, dann dürfte es kaum mildernde Umstände für ihn geben. Die entscheidende Frage wird sein, wie groß seine von einer Psychiaterin im Gericht bezeugte Angststörung eingeschätzt wird. Doch Pistorius will gar nicht wegen Unzurechnungsfähigkeit freigesprochen werden. Er will nach eigenen Angaben frei kommen, weil seine Freundin Opfer eines "tragischen Versehens" war.
Die psychiatrische Untersuchung wird den Prozess, der am 3. März begonnen hat, weiter verlängern. Mittwoch war der 32. Verhandlungstag, ursprünglich sollte der Prozess Mitte Mai enden. Nun wird das Verfahren kaum vor Ende Juni abgeschlossen sein. Bei einer Verurteilung droht Pistorius eine lebenslange Haftstrafe. (dpa)