Washington/Providence. Bei einer Zirkus-Show im US-amerikanischen Bundesstaat Rhode Island hat sich ein Gerüst mit acht Akrobatinnen aus der Verankerung gelöst. Die Zuschauer waren geschockt.

Bei der Kopfpflege seiner Schützlinge war Andre Medeiros haargenau. Ihre nassen Strähnen durften die Artistinnen des in Amerika überall bekannten Zirkus’ „Ringling Brothers and Barnum and Bailey“ nie föhnen. Lockenstäbe waren genauso verboten wie ausgiebiges Bürsten. Und um die Haarwurzeln zu stimulieren, standen regelmäßig Vitaminpillen und spezielle Shampoos auf dem Programm. Alles zur Kräftigung und zur Sicherheit in einer Artistik-Darbietung, in der es um Kopf und Kragen geht. Genutzt hat es nichts.

Bei einem schweren Arbeitsunfall stürzten am Wochenende acht Frauen aus dem Akrobaten-Team Medeiros in Providence im US-Bundesstaat Rhode Island mitten in der Vorstellung aus rund zehn Metern Höhe ab. Drei von ihnen befinden sich nach ersten Berichten des „Providence Journal“ in kritischem Zustand. Ein technischer Defekt an der Haltekonstruktion unter der Zirkuskuppel soll nach vorläufigen Untersuchungen die Ursache für das Unglück gewesen sein.

Für Sean Morrison setzte der Schock im „Dunkin‘ Donuts Center“ in der Ostküsten-Stadt nördlich von New York am Sonntag um kurz vor elf ein. Der 39-Jährige wartete wie 3900 andere Zuschauer auch mit seinem Sohn Aiken (6) auf die letzte Nummer vor der Pause. Angekündigt war der sogenannte „human chandelier“. Ein Kronleuchter aus Menschen. Acht Artistinnen, die – nur an ihrem eigenen Schopf hängend – in luftiger Höhe auf und unter einer Plattform eine atemberaubende Choreografie zeigen. „Dann ging alles rasend schnell“, erzählte Morrison dem örtlichen Lokalfernsehen, „ein metallenes Geräusch, der Aufprall und dann die Schreie.“ Eine Befestigung war aus noch ungeklärter Ursache gebrochen und hatte das gesamte Ensemble samt Tragekonstruktion zu Boden gerissen. Eine Tänzerin, die just dort in Aktion war, wurde unter Viktoria Medeiros, der Frau des Regisseurs, und den anderen Akrobatinnen aus den USA, der Ukraine, Brasilien und Bulgarien begraben.

Binnen Sekunden ging das Licht im Zirkus aus. Der Veranstalter wollte eine Panik verhindern, sagte der für die öffentliche Sicherheit in Providence zuständige Direktor Steven Pare. Statt Zirkusmusik waren kurz darauf die Sirenen der Notarztwagen zu hören. 30 Minuten später wurde die Vorstellung abgebrochen. Im Krankenhaus in Providence hieß es, dass mehrere Opfer noch unter Beobachtung stünden. Sie erlitten schwere Knochenbrüche und Verletzungen am Kopf und am Rücken.

Chiffonschal in der Manege

Während die Gutachten über den Unfallhergang noch ausstehen, wird „Ringling Brothers and Barnum and Bailey“ am Donnerstag im benachbarten Hartford im Bundesstaat Connecticut seine Zelte aufschlagen. „Die Show muss weitergehen“, zitierte ein Sprecher das bekannteste Motto der Unterhaltungsbranche. Aber ohne Andre Medeiros und seine Truppe. Der Brasilianer zeichnet bis ins kleinste Detail für die technische Konstruktion verantwortlich. Gegenüber den Aufsichtsbehörden sagte er, dass die Halterung bis zu 14-mal in der Woche eingesetzt worden sei – ohne Probleme. Bis Sonntag.

Für den Zirkus ist das Unglück der zweite Rückschlag nach 2004. Damals starb eine Akrobatin in Minnesota, als sich ein Chiffon-Schal löste, an dem sie durch die Manege wirbelte. Erst im vergangenen Sommer kam bei einer Vorführung des „Cirque du Soleil“ in Las Vegas die bekannte Artistin Sarah Guillot-Guyard ums Leben. Sie stürzte in einen unsichtbaren Schacht. Die Zuschauer dachten minutenlang, es sei Teil der Show. In Providence verflüchtigte sich dieser Eindruck in Sekunden.