Essen. . Sorry, Franziska Augstein, Fakten und Fiktion sind nicht miteinander verheiratetet. Manchmal flirten sie miteinander, manchmal sind sie liiert. Dennoch braucht Fiktion Freiheit. So ist das Duell Augstein gegen Strauß in der „Spiegel Affäre“ vor allem eines: packende Unterhaltung.
Da staunt man doch schon, wenn man als Journalist in den Neunzigern groß wurde und nun in die Redaktionsräume des „Spiegel“ in den frühen Sechzigern blickt: Rudolf Augstein und seine Truppe führen sich auf wie Großstadtcowboys; breitbeinig und wild entschlossen klopfen sie sich gegenseitig auf die Schultern, wenn sie eine Story entdeckt haben. Und wer Augstein vorhält, dass die Fakten womöglich nicht ausreichen, der „soll doch bei Burda-Moden Schnittmuster klöppeln“. Frauen kommen in dieser Jungswelt nur als Kaffeekocherinnen vor, denen man auf den Hintern haut, bevor sie den Aufmacher in dreifacher Ausfertigung abzutippen haben.
Kampf um die Pressefreiheit
Augsteins Tochter Franziska hat sich in der „Süddeutschen“ schon über ein paar menschliche und sachliche Ungenauigkeiten beklagt. Aber Film und Wirklichkeit sind nun einmal nie miteinander verheiratet, ein paar künstlerische Freiheiten nötig. Der erfahrene Roland Suso Richter hat „Die Spiegel Affäre“ (Arte, Freitag 20.15 Uhr, ARD, 7. Mai, 20.15 Uhr) weniger als Geschichtsstunde einer noch jungen Demokratie inszeniert, denn als pralles Fernsehdrama, dem die Feinheiten zuweilen ein bisschen abgehen. Auch die politischen Hintergründe rund um die globale Angst vor einem weiteren Weltkrieg leuchtet er nicht intensiv aus, sie verschwimmen ein wenig.
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Richter und sein Drehbuchautor Johannes Betz verknappen den Kampf um die Pressefreiheit in Deutschland zum Duell zwischen den Alphatieren Rudolf Augstein und Franz-Josef Strauß, die von Sebastian Holtz und Francis Fulton-Smith glänzend verkörpert werden: der eine ein hageres, schmallippiges Nordlicht mit dem Hang zu Affären, der andere ein massiger Familienmensch mit Bierseidel und geballter Faust, in dessen Selbstbewusstseinsbugwelle Ge-genspieler in aller Regel ertrinken müssen.
Augstein als besessener und selbstverliebter Rechthaber
Richter lässt sich nicht dazu hinreißen, sich auf die Seite von Augstein zu schlagen, das wäre einfach und langweilig. Er zeigt ihn als besessenen und selbstverliebten Rechthaber, der aufstampft, wenn es nicht nach Wunsch läuft. Und der sogar journalistische Grundsätze opfert, um Strauß zu erledigen, dessen atomare Aufrüstungspläne und Machtansprüche auf Höheres er fürchtet. Strauß schafft das Gleichgewicht des Schreckens, weil er als intriganter Karrierist rüberkommt, blitzgescheit, aber hundsgemein.
Ein spannender Ringkampf wird daraus, und in der punktgenauen optischen Ausstattung des Films wird man an die stilbildende US-Serie „Mad Men“ erinnert. Was ja nicht das schlechteste Vorbild ist.