Missoula/Washington. .
Der Tod eines 17-jährigen deutsch-türkischen Austauschschülers aus Hamburg im US-Bundesstaat Montana geht nach Einschätzung von Ermittlern auf den vorsätzlichen Tötungswillen eines schießwütigen Hausbesitzers zurück.
Wie diese Zeitung gestern aus Justizkreisen in Missoula erfahren hat, wollte der in U-Haft sitzende Täter, Markus Hendrik Kaarma (29), dem männlichen Wesen, das er Sonntagnacht via Überwachungskamera in seiner Garage erwischte, gar keine Chance lassen. „Er sah ihn auf dem kleinen Bildschirm im Haus, ging mit seiner Schrotflinte raus zur Garage und schoss viermal. Ohne Vorwarnung. Und ohne den Versuch, die Situation nicht eskalieren zu lassen“, sagte ein Beamter auf Anfrage. Kaarma erklärte, die Polizei sei unfähig, Täter auf frischer Tat zu schnappen.
Zwei Schüsse trafen Diren Dede, der seit August 2013 auf der Big Sky High School in Missoula die 11. Klasse als Austauschschüler absolvierte und dort laut Schulleitung nicht nur wegen seiner sportlichen Fähigkeiten „sehr beliebt und erfolgreich war“, am Kopf und am Arm. Der für den SC Teutonia 1910 in Hamburg-Altona spielende Amateur-Fußballer erlag kurz darauf im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen.
Auch in Montana gilt ein Gesetz, das Hausbesitzern bei Lebensgefahr das Recht gibt, sich im Notfall auch mit tödlicher Waffengewalt gegen Einbrecher zu verteidigen. Darum gingen viele Kommentare auf den Internetportalen der 68 000-Einwohner-Stadt östlich von Seattle von Notwehr aus.
Staatsanwalt Andrew Young glaubt aber nach Informationen dieser Zeitung nicht, dass die sogenannte „Castle Doctrin“ zieht. Kaarma sei weder angegriffen noch bedroht worden. Der Hauseigentümer ist darum seit Montagnachmittag offiziell des vorsätzlichen Totschlags beschuldigt. Im Falle einer Verurteilung drohen ihm zehn bis 100 Jahre Gefängnis. Am 12. Mai wird sich entscheiden, ob die Anklage zugelassen wird und es zum Prozess kommt.
Manches deutet darauf hin, dass Kaarma die Situation gleichsam einer Strafaktion herbeigesehnt hat. „Ich warte nur darauf, endlich einen verdammten Bengel zu erschießen“, soll der Angeklagte laut einer Zeugin beim Friseur gesagt haben, meldete der TV-Sender NBC. Wie die Polizei bestätigt, wurde in der jüngsten Vergangenheit zweimal bei Kaarma und dessen Partnerin Janelle Pflager eingebrochen. Das Paar entschied sich deshalb, eine Falle zu basteln. In der mit Bewegungssensoren, einer Überwachungskamera und einem Babyfon ausstaffierten Garage, die bewusst halb offen gelassen wurde, war eine Handtasche als „Beute“ deponiert. Bei Betreten ging ein Alarm los – das Ende ist bekannt.
Kaarma versuchte nicht, den Schüler, der nur wenige Minuten entfernt bei seiner Gastfamilie lebte, zur Rede zur stellen. „Es gab keine Hände-hoch-Warnung“, sagte ein Ermittler. „Er schoss einfach ins Dunkle.“ Obwohl Dede ihn weder angegriffen oder auch nur bedroht habe. Von einem Gebrauch des Notwehrrechts auf heimischem Grundstück könne darum wohl nicht zwingend die Rede sein.
Diren Dede war laut Polizei mit einem anderen Austauschschüler unterwegs, der sich vor dem fatalen Ende davonmachte. Bei seiner Vernehmung lieferte der Junge Aufschluss bei der Frage, was Diren eigentlich in der Garage suchte: „Etwas zu trinken.“ Markus Hendrik Kaarma fühlt sich nach Angaben seines Anwalts Paul Ryan „schrecklich“. Dass man ihn de facto des Mordes anklage, verstehe sein Mandant allerdings nicht.