Rom. . Perfekt inszenierte der Vatikan die Heiligsprechung der Päpste Johannes Paul II. und Johannes XIII. am Sontag auf dem Petersplatz in Rom. Rund eine Million Gläubige jubelten auch Papst Franziskus und seinem Vorgänger Benedikt XVI. zu. Pünktlich riss der gewitterschwere Himmel auf.
„Viva il Papa!” rufen sie schier ohne Ende. Sie strecken sich und schwenken Fahnen; sie recken die Fotoapparate in die Höhe. „Hoch lebe der Papst!” Aber welchen meinen sie? Papa Francesco, der sich da im Papamobil den Weg durch die Massen zu bahnen versucht? Oder Benedikt XVI., den sie mit rauschendem Applaus gefeiert haben, als er – der nach seinem Rücktritt „der Welt verborgen bleiben“ wollte – unter den gut 150 Kardinälen auftauchte? „Viva il Papa!“ Oder meinen sie Johannes Paul II. und Johannes XXIII., die an diesem Sonntag in einem einzigartigen Doppelakt heiliggesprochen worden sind?
Eine Million Menschen, schätzt die Polizei, sind gekommen, darunter auch jene afrikanischen Frauen, die sich ihr Glaubensbekenntnis auf die kunterbunten Kleider haben drucken lassen: Jesus oder Maria, zumeist aber das Konterfei von Johannes Paul II. Italienische Nonnen in Taubenblau und mexikanische Jungpriester im lässig offenen Klerikerkragen haben sich fröhliche Singduelle geliefert. Tausende verbrachten aber auch die Nacht am Tiberufer im Schlafsack, ein paar Kekse zwischen und geistliche Lieder auf den Lippen.
Gewaltige Mehrheit aus Polen
„Gebe der Herr, dass wir bei einem solch bedeutsamen Werk keinen Irrtum begehen“. Papst Franziskus sagt es. Es gehört zum Ritus. Dreimal muss Kardinal Angelo Amato, der Chef der Heiligen-Kongregation, das Kirchenoberhaupt bitten. Und erst beim dritten Mal darf der Papst „nach langer Überlegung, mehrfacher Bitte um göttliche Hilfe und gestützt von der Meinung unserer Brüder Bischöfe” ... – doch noch bevor er fertig ist, brandet der Jubel auf. Um den Petersplatz, wo sich 500 000 Pilger drängen, macht sich jetzt die gewaltige polnische Mehrheit bemerkbar. Es trifft sich himmlisch gut, dass genau in diesem Augenblick die gewitterschweren Wolken über Rom aufreißen.
Da ist keine Wunder- oder Mirakelfrömmigkeit, da ist keine Verklärung von Personen in seiner Rede. Franziskus spricht vom auferstandenen Herrn als einem, der die Wunden seiner Kreuzigung bleibend am Leib trägt. Er verlangt, dass sich die Kirche „diesem Ärgernis“ stellt: dem, was Menschen an anderen anrichten und dem Leiden, das sie selbst zu tragen haben – so wie die beiden Päpste, „die in jedem leidenden Menschen Jesus sahen.“
Dann wagt Franziskus einen rhetorischen Husarenritt. Er bezeichnet Johannes Paul II. als „Papst der Familie”, weist gleichzeitig auf die beiden von ihm geplanten Bischofsversammlungen zur Diskussion der kirchlichen Familien- und Sexualmoral hin und rühmt Johannes Paul II. für seine „feinfühlige Folgsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist“. Das ist keine Würdigung, das ist ein Auftrag an die Bischöfe – zu hören, was der Heilige Geist vielleicht heute wollen könnte.
Unter den Ehrengästen sind nicht nur die 122 Regierungsdelegationen, die gekrönten Häupter aus Spanien und Belgien, der unvermeidliche Diktator aus Zimbabwe, Robert Mugabe. Gekommen ist auch Lech Walesa als einstiger Chef der polnischen Solidarnosc, die unter Unterstützung durch Johannes Paul II. von 1980 an zur ersten friedlichen Sprengkraft des Ostblocks wurde.
Das Blut Karol Wojtylaswird zur Reliquie
Dabei ist aber auch Floribeth Mora Diaz aus Costa Rica, die durch Johannes Paul II. – wie es heißt – von einer lebensgefährlichen Krankheit geheilt worden sein soll und damit zur Kronzeugin für die Heiligsprechung wurde. Die 51-Jährige im schwarzen Schleier trägt eine Reliquie „ihres“ Papstes zum Altar, eine in silbernes Rankenwerk gefasste Ampulle mit dem Blut Karol Wojtylas. Bevor er sich den Größen der Politik zuwendet, grüßt Franziskus die Frau. Und ganz am Ende kommt Floribeth Mora Diaz noch einmal ins Bild: wie sie sich, in Tränen aufgelöst, eine costaricanische Fahne vors Gesicht zieht.