Sotschi. Zum Start der Olympischen Spiele in Sotschi stellen wir Land und Leute vor. Der Kultur kann man auch ohne weite Reisen begegnen. Vieles liegt uns näher als wir denken. Ein humoriger Reiseführer für die Hosentasche, von einer kuriosen Post-Punk-Band über die Wahl zur „Miss Atom“ bis zum Kochrezept.
Sie mögen beginnen: In Sotschi starten die XXII. Olympischen Winterspiele. Milliarden hat die russische Regierung in die Vorbereitung gesteckt. Doch mit Russland können manche Zuschauern nicht so richtig warm werden. Wir helfen, das Eis zu schmelzen.
Russland kurios
Russen sind herzliche Gastgeber. Doch Vorsicht, wer eingeladen wird, sollte keine gelben Blumen mitbringen und außerdem darauf achten, dass der Strauß aus einer ungeraden Zahl Stängeln besteht – gerade Zahlen werden nur zu Trauerfeiern verschenkt. Besuchen Sie ein Restaurant, dann gilt es als unhöflich, nach der Toilette zu fragen. Die Russen suchen den „Ort zum Händewaschen“ auf.
Russland – hier möchte man gerne noch einmal Schulkind sein. Satte drei Monate dauern die Sommerferien. Da wird sogar der Hund neidisch und beklagt sich mit einem kräftigen „Wau wau“? Dann handelt es sich nicht um einen russischen Hund, denn dessen Gebell wird mit „Gaff gaff“ übersetzt.
Russische Frauen sind ein ganz eigenes Kapitel. Sie mögen Kaviar – und sie mögen Kavaliere. Männer, die noch die Tür aufhalten und in den Mantel helfen. Nebenbei werden russische Frauen für ihre Schönheit bewundert. Miss-Wahlen sind beliebt. In den Jahren 2004 bis 2011 wurde sogar eine „Miss Atom“ gewählt, veranstaltet von der Atomindustrie. Mit dieser Wahl sollte das Image der Kraftwerk-Branche aufpoliert werden.
Russische Sprache
Russland ist furchtbar unzugänglich. Alles liegt an der Sprache. Es fängt damit an, dass die Russen eine Geheimschrift benutzen. Sie ähnelt dem griechischen Alphabet, weil das Land von Griechen christianisiert wurde. Weitere Zeichen kamen hinzu, damit die Russen ihre geliebten Zischlaute darstellen können. Beispiel: Das „schtsch“ im Borschtsch ist im Kyrillischen ein Buchstabe.
Hat man die Schrift entziffert, gelangt man in die Wunderwelt slawischer Grammatik. Nur so viel: Von jedem Verb sind zwei Versionen zu lernen. Der Russe sagt nicht einfach „gehen“. Er sagt entweder „idti“ oder „chodit“ – je nachdem, ob einer nur geht, oder ob er auch ankommt. Ein Unterschied, der sich beim Langlauf in Medaillen auswirken kann!
Die sprachlichen Eigenheiten der Russen gehen bis in die Gestik hinein. Ein Beispiel: Wenn Deutsche eine Aufzählung machen, biegen sie ihre Finger auf. Die Russen klappen sie ein. Generationen von Spionen sollen sich durch die falsche Technik verraten haben – spätestens nach dem soundsovielten Wodka.
Russisch – das ist die Sprache Puschkins, aber auch die Sprache Putins. Russische Schimpfwörter sind wunderbar grob, meist geht es dabei um Geschlechtsteile. „Verpiss dich“, heißt auf Russisch „Geh zum Schw...!“ Aber Russen wissen, was sich gehört. Soll sich einer verpissen, den sie mögen, dann sagen sie nur: „Du weißt schon wohin!“
Essen und Trinken
Die russische Küche ist bäuerlich geprägt, aber keineswegs schlicht: Deftige Eintöpfe und Suppen, raffinierte Teigwaren und kernige Getränke kommen auf den Tisch: Viele Speisen haben einen säuerlichen Grundton dank saurer Sahne, Sauerkraut oder Sauergurken. Ein typisches Gericht ist die Soljanka, eine Suppe, die es in den unterschiedlichsten Variationen gibt: mal mit Rind, mal mit Schwein, mal mit Fisch. Grundlagen sind zumeist eine Fleischbrühe und ein säuerlicher Gurkensud.
Ein weiteres bekanntes Gericht ist tiefrot und besitzt im Namen einen ganzen Haufen Konsonanten: Borschtsch, ein Eintopf mit Roter Bete als wichtigster Zutat, der ursprünglich aus der Ukraine stammen soll. Auch diese Speise gibt es in den verschiedensten Spielarten, nur rot sollte sie sein.
Ein feiner Gaumenkitzel sind die russischen Teigwaren wie Bliny (ein dünner Eierkuchen mit Füllung), Piroggen (gefüllte Teigtaschen aus Hefe- oder Blätterteig) oder Pelmeni (die russische Variante italienischer Tortellini).
Eines der beliebtesten Getränke in Russland ist Tee. Vor allem im Winter läuft der Samowar auf Hochtouren. Im Sommer erfrischt Russland ein anderes Nationalgetränk: Kwas – eine Brause, die in dem Riesenreich beliebter ist als Cola. Grundzutaten sind Wasser, Roggen und Malz. Kwas riecht nach kräftigem Bauernbrot und erinnert geschmacklich an Malzbier mit Zitronenaroma. Nicht unerwähnt bleiben sollte der russische Wodka: Es gibt kaum eine Tafel, die ohne den Klaren auskommt.
Russisch essen in NRW
Wareniki, Soljanka oder auch Kaviar vom russischen Stör – wer Russland häppchenweise kennen lernen möchte, bekommt auch in der Nachbarschaft Gelegenheit dazu. Hier eine Auswahl russischer Restaurants: Isbuschka, Kölner Tor 11 in Düsseldorf; Keglerheim, Hagener Straße 78 in Gevelsberg; Beluga, Grafenberger Allee 277 in Düsseldorf; Sochi, Berliner Straße 992 in Köln; Lezginka, Löhstraße 76 in Mülheim; Traktir, Hohe Straße 16 in Dortmund. Und noch ein Tipp: In Lünen, Scharnhorststraße 11b, können die Besucher nicht nur speisen, sondern auch schwitzen: Hier befindet sich „Banja“, eine Sauna nach russischer Art.
Oder selbst kochen – Rezept: Pelmeni (Teigtaschen)
Zutaten: (Teig) ca. 300 g Mehl (n.B.), 1 Ei, 1 Tasse Milch, Salz. (Füllung) 250 g Hackfleisch (Rind oder Schwein oder gemischt), 2 EL Sahne, 1 Zwiebel, Pfeffer, Salz. Außerdem: 1-2 Lorbeerblätter, Butter, Sauerrahm, gehackte Petersilie.
Zubereitung: Ei, Milch und Salz vermengen, Mehl nach und nach zugeben und verkneten, bis ein geschmeidiger Nudelteig entsteht. Den Teig mindestens 30 Minuten ruhen lassen.
Die Zwiebeln fein hacken und in etwas Butter anschwitzen. Abkühlen lassen und mit dem Fleisch und der Sahne vermengen. Salzen, pfeffern. Den Teig dünn ausrollen und mit einem Weißweinglas Kreise ausstechen. Mit Fleischmasse befüllen, halbmondförmig wie Tortellini zusammenklappen, die Ränder fest verschließen und die Teigtasche auf ein bemehltes Brett legen. Salzwasser in einem Topf zum Kochen bringen, Lorbeerblätter zufügen. Teigtaschen in sanft siedendem Wasser portionsweise garen (ca. 10 Minuten). Mit geschmolzener Butter, Sauerrahm und Petersilie servieren.
Russische Musik
Pussy Riot. Natürlich fällt dieser Name, wenn man Menschen im Westen nach russischen Bands fragt. Abgesehen von einer EP ist die Diskografie der Mädels aus Moskau leer, was zweifellos mit einem Zwangsaufenthalt im Straflager zutun hat. Wer nun tief hinein hören möchte in die russische Seele, sollte es besser mit der jungen Post-Punk Band Motorama versuchen. Russlands Antwort auf Joy Division und Interpol.
Die Band kommt aus Dortmunds Partnerstadt Rostow am Don, was nur lächerliche 552 Kilometer von Sotschi entfernt ist. Ab und an tourt sie durch Europa, spielt vor kleinem Publikum und stellt dabei gerne eine Palme auf die Bühne. Denn „Motorama“ kommt aus dem wärmeren Süden der Russischen Föderation, was sich auch in der Musik ausdrückt: „To the South“, das Sänger Vladimir Parshin im aktuellen Album „Calender“ ins Mikrofon nuschelt, ist ein tanzbares Gute-Laune-Lied. Wer also russische Musik bislang mit Tatarentanz und Fellmütze verband, sollte lauschen. Viele Stücke hat die Band kostenlos ins Internet gestellt, Neueres gibt es bei iTunes & Co.
Russischer Witz
Der witzigste russische Autor wohnt in – Kiew. Niemand fängt die Absurditäten, die den Alltag nicht weniger bereichern als zu Sowjet-Zeiten, mit so vielen Pointen ein wie Andrej Kurkow . Sein Debüt „Picknick auf dem Eis“ ist fast schon ein Klassiker, ein grotesker Mafia-Roman, bei dem man inständig hofft, er möge bittebitte maßlos übertrieben sein. „Pinguine frieren nicht“ ist so eine Art Fortsetzung in Krimiform; der „Milchmann in der Nacht“ schließlich bietet ein Feuerwerk von Pointen und Wendungen, das der Schlussfeier von Olympia glatt Paroli bieten dürfte (alle drei gibt’s als Taschenbuch im Diogenes Verlag).