Köln.. Im Streit um die Abmahnungen für Nutzer des Porno-Portals Redtube hat das Landgericht Köln eigene frühere Entscheidungen korrigiert. Dem Antrag auf Herausgabe von Nutzer-Namen hätte nicht entsprochen werden dürfen. Wer bereits gezahlt hat, sieht sein Geld wahrscheinlich trotzdem nicht wieder.

Vielleicht war ja viel zu tun, so kurz vor Weihnachten, und mancher Richter am Kölner Landgericht hat nicht genau hingeschaut, als der Berliner Rechtsanwalt Daniel Sebastian ihm im Dezember vergangenen Jahres lange Listen mit so genannten IP-Adressen vorlegte. Die Menschen hinter diesen Adressen, so Sebastian, hätten illegal Pornos aus dem Internet geschaut und sollten deshalb Abmahnungen erhalten. Dafür brauchte Sebastian die Namen zu den IP-Adressen. Und die hatte in diesem Fall nur die Telekom.

89 Anträge mit teilweise mehreren tausend Datensätzen aus einem bestimmten Zeitraum legte Sebastian unterschiedlichen Kammern vor. Bei 62 Anträgen ordneten die Richter die Herausgabe der Namen und Adressen an. Die Kanzlei Urmann aus Regensburg verschickte daraufhin Tausende von Abmahnungen für ein Schweizer Unternehmen namens „The Archive“. „Zu Unrecht“, räumt das Gericht nun ein. Wer die Abmahnung bezahlt hat, muss sein Geld wahrscheinlich dennoch abschreiben. Und auch wer sich stattdessen einen Anwalt genommen hat, könnte auf den Kosten sitzen bleiben.

Bundesweit 20.000 Betroffene?

Für Laien ist vieles in diesem Fall kaum zu verstehen. Aber selbst wer sich in der Materie auskennt, wird immer wieder überrascht. „Ein unglaublicher Fall“, sagt der Kölner Rechtsanwalt und Internet-Experte Christian Solmecke. 600 neue Mandanten hat ihm die Abmahnungswelle beschert. Bundesweit ist mittlerweile von bis zu 20 000 Betroffenen die Rede. Einige davon haben zwar stillschweigend gezahlt, um jedes Aufsehen in der vermeintlich delikaten Angelegenheit zu vermeiden, die meisten aber sind in die Öffentlichkeit gegangen. „Die Leute haben heute kein Problem mehr damit zuzugeben, dass sie Pornos gucken“, hat Solmecke gemerkt.

Es sei denn, sie haben tatsächlich gar nicht geguckt. Netz-Experten sind schon lange davon überzeugt, dass viele der Abgemahnten durch ein kleines Programm heimlich und ohne ihr Zutun auf einem der vier Filme gelandet sind, an denen „The Archive“ die Rechte besitzen will. Aber selbst wer die fraglichen Filme wissentlich angeklickt hat, hat sich nach neuester Einschätzung der Kölner Richter nicht strafbar gemacht.

Denn wie bei den meisten Videoportalen im Internet werden auch bei Redtube die vorgehaltenen Filme „gestreamt“. Das heißt, die Daten fließen – vereinfacht gesagt – wie ein Fluss über den Computer und versickern spurlos wieder. „Streaming“, sagen deshalb nicht nur die Kölner Richter, ist „grundsätzlich kein relevanter rechtswidriger Verstoß im Sinne des Urheberrechts“.

Jedenfalls nicht auf legalen Portalen. Und Redtube ist für die Kölner Richter ein legales Portal. In den Anträgen vom Dezember sei aber fälschlich immer vom Download die Rede gewesen, also vom oft illegalen Herunterladen. Man sei getäuscht worden. Hinzu komme, dass unklar sei, wie „The Archive“ überhaupt an die IP-Adressen gekommen ist. Die lassen sich beim Streaming nämlich mit legalen Methoden kaum ermitteln.

Keine Geld-zurück-Garantie für bereits bezahlten Abmahnungen

So erfreulich die Entwicklung auch ist, eine Geld-zurück-Garantie ist sie nicht – egal ob man die Abmahnung bezahlt hat oder rund 300 Euro für einen Anwalt. „Natürlich kann man versuchen, sich das Geld von The Archive zurück zu holen“, erklärt Solmecke. Juristisch stehen die Chancen nicht schlecht. „Aber ob da was zu holen ist…“

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Immerhin, neue Abmahnschreiben dürfte es in Sachen Redtube so schnell nicht mehr geben, auch wenn die Kanzlei Urmann eine „zweite Welle“ ankündigt und Pornoportale für illegal hält. „Da kommt nichts mehr“, ist Solmecke überzeugt und will nicht ausschließen, dass der Schuss für die Abmahnanwälte nach hinten losgegangen ist. „Bei ähnlichen Fällen werden deutsche Richter künftig ganz genau hinschauen.“