Essen. . Von jahrelangen Schmerzen durch den Einsatz der gefährlichen „PIP“-Silikonkissen aus Frankreich spricht eine 69-jährige Frau aus Marl. Vor dem Landgericht Essen verklagt sie jetzt den Arzt, der ihr die Implantate 2002 nach einer Brustkrebs-OP eingesetzt hatte.

Einen Monat, nachdem der französische Hersteller von Brustimplantaten aus Industriesilikon zu vier Jahren Haft verurteilt wurde, arbeitet jetzt auch die deutsche Justiz den „PIP“-Skandal auf. Vor dem Landgericht Essen verlangte am Donnerstag eine 69-Jährige aus Marl 15 000 Euro Schmerzensgeld vom Arzt eines Marler Krankenhauses. Er hätte nach ihrer Ansicht erkennen müssen, welche Gesundheitsgefahr von dem im Jahre 2002 nach einer Brustkrebs-OP eingesetzten Silikonkissen ausging.

Die für Arzthaftungssachen zuständige 1. Essener Zivilkammer vernahm die 69-Jährige am Donnerstag. Jahrelang habe sie seit 2005 unter Schmerzen gelitten, sagte die Frau. Ihr Arzt habe ihr gesagt, dass dies ganz normal sei. Schmerzspritzen habe er empfohlen. Sie habe einmal auch einen anderen Mediziner aufgesucht. Doch der habe nur gemeint, er wolle seinem Kollegen nicht ins Handwerk pfuschen.

Silikon im Brustraum

Erst im Herbst 2011 hätte ihr Arzt angeregt, es mal mit einem kleineren Implantat zu versuchen, das nicht so spanne. Erst kurz danach wurde der Skandal um die „PIP“-Implantate öffentlich. Die Marlerin erzählte, sie sei im Januar 2012 durch einen Fernsehbericht auf die Gesundheitsgefahr aufmerksam geworden. Kurz danach hätte sie es im Dorstener Elisabeth-Krankenhaus entfernen lassen. Es sei gerissen gewesen, Silikon sei im Brustraum gefunden worden.

Das Gericht muss jetzt entscheiden, was der Arzt zu verantworten hat. Ein Gutachter wies darauf hin, dass die PIP-Kissen 2002 als unbedenklich galten, es habe auch keine Auffälligkeiten gegeben. 2009 hätten sich dann Probleme ergeben, weil die Kissen rissen. Am 1. April 2010 untersagten die französischen Behörden den Vertrieb der „PIP“-Implantate, meldeten die Probleme auch den deutschen Behörden. Diese, so listete der Gutachter auf, reagierten zunächst am 23. Dezember 2011 mit der „Empfehlung“, die Patientinnen sollten ihre Ärzte aufsuchen. Kurz danach riet die Deutsche Gesellschaft für Frauenheilkunde unmissverständlich, die Silikonkissen entfernen zu lassen.

Das ganze Ausmaß des Skandals wurde nach und nach deutlich. Vom Einsatz des Industriesilikons sind weltweit 300 000 Frauen betroffen. 5000 sind es in Deutschland.

Über die Klage der Marlerin wird das Gericht erst in einigen Wochen entscheiden. Es wird nicht das einzige Mal sein, dass die Kammer sich mit den französischen Implantaten und der Verantwortung der Mediziner befassen muss. Ende Januar werden auch zwei vergleichbare Klagen gegen Ärzte des Essener Uni-Klinikums verhandelt.