Paris. . Michael Schumacher ist zum Zeitpunkt seines schweren Skiunfalls in den französischen Alpen wohl nicht zu schnell gefahren. Das sagte ein Polizeisprecher am Mittwoch. Die Skier des Formel-1-Weltmeister seien in Ordnung gewesen und laut Staatsanwalt waren die Pisten des Skigebiets korrekt ausgewiesen.
Unmittelbar vor seinem schweren Sturz am 29. Dezember in Méribel war Michael Schumacher mit einer „für einen exzellenten Skifahrer wie ihn angemessenen Geschwindigkeit“ unterwegs. Das bestätigten gestern die Ermittler der Gendarmerie von Albertville, wo die Staatsanwaltschaft, die für die Untersuchung des Unfalls zuständig ist, erstmals Auskunft über den Stand ihrer Nachforschungen gab.
Laut dem leitenden Staatsanwalt Patrick Quincy verlor der siebenfache Formel 1-Weltmeister in 2700 Metern Höhe abseits einer roten Piste das Gleichgewicht, als er mit seinen Skiern gegen einen Stein stieß. Schumacher sei dann vorwärts fallend dreieinhalb Meter tiefer mit dem Kopf auf einen Felsbrocken gestürzt. Der Aufprall war so heftig, dass sein Schutzhelm in zwei Teile zerbrach.
Skier wohl in einwandfreiem Zustand
Auch wenn die Ergebnisse einer Expertise ausstehen, scheinen die „fast neuen“ Leihskier sowie deren Bindungen in einwandfreiem Zustand gewesen zu sein. Zwar weisen die Skier auf der Unterseite Kratzer von der Berührung mit dem Stein auf, dürften jedoch als Unfallursache ausscheiden.
Quincy bestätigte auch, dass die Ermittler über ein Video verfügen, das von der Helmkamera aufgezeichnet wurde. Dank einer ersten Auswertung der letzten zwei Minuten vor dem Unfall ließ sich so der genaue Weg nachzeichnen, den Schumacher eingeschlagen hatte.
Allerdings wurden von dem begrenzten Blickwinkel der Helmkamera keine anderen Personen erfasst. Ob Schumacher, wie von seiner Sprecherin angeführt, die Piste verließ, um einer gestürzten Freundin seines Sohns aufzuhelfen, können die Bilder daher nicht belegen.
Zweifel meldete Quincy an der Existenz eines zweiten, von einem angeblichen Augenzeugen gemachten Videos an, von dem mehrere Medien berichteten. Die Ermittler jedenfalls haben bisher ein solches Dokument nicht erhalten.
Auch wenn die Untersuchung keineswegs abgeschlossen ist, sieht Quincy derzeit keine Hinweise auf ein Verschulden Dritter. Ihm zufolge waren die Pisten des Skigebiets ordnungsgemäß unterhalten und ausgewiesen. Aufgrund der den geltenden Vorschriften entsprechend angebrachten Begrenzungsstäbe in der Nähe der Unfallstelle, aufgrund der hervorragenden Sichtverhältnisse und aufgrund seiner guten Ortskenntnisse habe Schumacher wissen müssen, dass er auf eigenes Risiko in einen nicht gesicherten Bereich einfuhr. Anwalt Edward Bourgin aus Grenoble dagegen, auf Verletzungen spezialisiert, hatte dem widersprochen: „Der Standard ist nicht erfüllt, die Zeichen und Markierungen waren unzureichend und nicht konform.“
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„Es ist auch bei uns der klassische Streitfall, die Pistenbetreiber wollen möglichst wenig markieren“, sagte Peter Hennekes, Hauptgeschäftsführer des deutschen Skilehrerverbandes, dieser Zeitung. Er wollte sich aber nicht dazu äußern, ob in Méribel seiner Meinung nach genügend Markierungen seien. „Man kann wie immer mehr tun im Leben“, sagte Hennekes, „mit jeder Stange entstehen aber auch neue Risiken, und ich möchte die Debatten erleben, wenn ein Fahrer da in irgendeinem Schutznetz hängen bliebe.“ Die Pflichtregelungen für Markierungen seien in jedem Land unterschiedlich. Es sei „eine typisch amerikanische Art der Diskussion“, über Haftungsfragen zu sprechen statt über Eigenverantwortlichkeit. Das Wetter sei gut gewesen, Schumacher habe „doch sicher ganz bewusst gehandelt“.
Ski-Ass Markus Wasmeier nimmt die Pistenbetreiber in Schutz
Staatsanwalt Patrick Quincy fügte hinzu, dass in Méribel, wo die Schumachers ein Chalet besitzen, allgemein bekannt gewesen sei, dass Skifahren abseits der Pisten in diesem Winter erhöhte Gefahren berge. Es sei kaum Neuschnee gefallen, weswegen vielerorts Steine hervorragen, die sonst tief unter der Schneedecke liegen. „Solche Stellen mit Felsen sind ganz normal“, sagte Ski-Olympiasieger Markus Wasmeier „Sport-Bild“: „Man kann das Problem nicht lösen, sonst müsste man den ganzen Berg mit Leitplanken vollbauen.“
Erst nach dem Abschluss ihrer Untersuchung – unter anderem ist eine Rekonstruktion des Unfalls vorgesehen -- will die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob sie auch strafrechtliche Ermittlungen einleitet. Eine Strafanzeige, so Quincy, liege ihm bislang nicht vor.