Washington. .

Boujemaa Razgui hat einen wohlklingenden Namen in der Welt der Kawalas und Nays. Der 55-jährige Marokkaner mit kanadischem Pass und US-Aufenthaltsgenehmigung zählt in Nord-Amerika zu einem Dutzend Virtuosen, die auf den seit über 5000 Jahren aus Bambus hergestellten Flöten konzertreif musizieren können, die schon zu Pharaos Zeiten neben der Tabla den orientalischen Sound prägten. Popstars wie Beyoncé oder Shakira baten ihn wegen seines Könnens zu Aufnahmen ins Studio. Seit wenigen Tagen beben dem zweifachen Vater die Lippen. Vor Wut.

Nach einem Konzert in Madrid wartete der Fachmann für mittelalterliche arabische und persische Musik kurz vor Heiligabend am New Yorker John-F.-Kennedy-Flughafen auf seine Koffer. Sie kamen nicht. Auf Nachfrage erfuhr Razgui nach Recherchen des „Boston Globe“, dass Zoll- und Grenzkontrolleure das Gepäck konfisziert und den kostbaren Inhalt – elf selbst geschnitzte Nays und zwei Kawalas – ohne jede Konsultation mit dem Besitzer, geschweige denn Fachleuten, zerstört haben. Die Einfuhr von „landwirtschaftlichen Gütern“ wie Bambus sei verboten, lautete die Begründung, in den Schilf-Hölzern könnten sich giftige Stoffe befinden.

Seither ist Razgui arbeitslos. Und eine kleine Nischen-Musikwelt über die Borniertheit der Grenzkontrolleure außer sich. „Ich kann mir nichts Hässlicheres und Dümmeres auf Seiten der amerikanischen Regierungsbehörden vorstellen, als dem Mann die Werkzeuge seiner Kunst und seines Einkommens zu nehmen“, zitiert Kritiker Norman Leibrecht auf der Klassik-Internetseite „Slipped Disc“ einen Dirigenten.

Die für ihren rüden, kompromisslosen Umgang mit einzuführenden Gütern bekannte „Customs and Border Control“ bestätigte den Vorfall im Prinzip. In einem Razgui zugeordneten Gepäckstück seien auch frische Bambusstäbe gefunden worden, sagte ein Sprecher dem „Boston Globe“. Deren Einfuhr sei verboten.

Razgui schüttelt den Kopf. „Seit 25 Jahren fliege ich mit meinen Instrumenten um die Welt“, sagte er, „nie gab es Probleme. Es handelt sich um gehärtete und getrocknete Hölzer von ideell unschätzbarem Wert. Damit habe ich meine Familie ernährt. Und nun?“ Er will in den Nahen Osten reisen, wo geeigneter Bambus wächst, aus dem er neue Kawalas und Nays schnitzen will. Vorher muss er sich beim Landwirtschaftsministerium um eine offizielle Einfuhr-Genehmigung bemühen. Das könnte schwierig werden. Es sei denn, irgendwer bringt den Beamten rechtzeitig die Flötentöne bei...