San Francisco. . Einst Hippie-Paradies, jetzt die Heimat der superreichen Internettüftler von Google und Co.: San Francisco drängt die Mittelschicht aus der Stadt. Auf der Strecke bleiben Menschen, die schon da waren, als man noch nicht googeln konnte, wo gerade die besten Cocktails geschüttelt werden.
Sie kommen jeden Morgen und sammeln die Klickritter des Fortschritts ein. Weiß lackierte, mit WiFi und Ledersitzen ausgerüstete Luxusbusse halten in San Franciscos Innenstadt, saugen Hunderte Tüftler, Programmierer und Designer auf und spucken sie eine Fahrstunde südlich im Silicon Valley wieder aus. Eigentlich ein gutes Beispiel für umweltschonendes Pendlertum. Hier jedoch sozialer Sprengstoff. Zum ersten Mal stellten sich wütende Demonstranten im Mission District jetzt einem Bus in den Weg und riefen: „Unsere Stadt kann man nicht kaufen.“ Aber vielleicht doch.
400 Dollar Parkplatzmiete
Protest-Organisator Erin McElroy beklagt eine „von Kapital überflutete Stadt, in der eine technologische Klasse normale Menschen an den Rand drängt“. Übertrieben? Nirgends in Amerika sind die Mietpreise binnen eines Jahres so rasant gestiegen wie in der hügeligen Schönheit Kaliforniens: satte zehn Prozent. Eine Allerwelts-Wohnung, 75 Quadratmeter, zwei winzige Schlafzimmer, ist nicht unter 3250 Dollar im Monat zu haben. Rund 2400 Euro. Wer kaufen will, kommt nicht unter einer Million Dollar weg. Miete für einen Parkplatz: 400 Dollar im Monat.
Schuld ist der Erfolg von Apple, Facebook, Google & Co. Zwar stehen die Werkbänke der Internetwirtschaft in Palo Alto, Menlo Park und Mountain View. Aber immer mehr Arbeitsbienen ziehen zum Leben die Vielvölker-Bohème der Großstadt vor. Jahresmiete vorstrecken? Ja, warum denn nicht.
Künstler und Lebenskünstler bleiben auf der Strecke
Auf der Strecke bleiben Menschen, die schon da waren, als man noch nicht googeln konnte, wo gerade die besten Cocktails geschüttelt werden. Künstler und Lebenskünstler, kleine Gewerbetreibende und Mittelschicht-Familien. Ramon, 26, Bäcker, zwei kleine Töchter, sagt, was viele fühlen: „Ich kann mir meinen amerikanischen Traum bald nicht mehr leisten.“
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Rund um „SoMa“, dem angegilbten Viertel südlich der lange von Obdachlosen, Drogenkranken und Leerstand geprägten Market Street, ist der Wandel drastisch. Seit Twitter, der mit dem Börsengang 1600 Millionäre produziert hat, das Art-Deco-Gebäude Hausnummer 1355 zum Hauptsitz gemacht hat, tummeln sich mittags schnieke End-Zwanziger mit teuren Soya-Wraps neben den Resten von Armut und Hunger. Überall wird gebaut. Und abgebaut.
Zwangsräumungen nehmen zu
Die Zahl der Zwangsräumungen ist in einem Jahr um 25 Prozent gestiegen. Im Rathaus sitzt zwar ein „Top-Verwaltungsbeamter für Innovation“. Für die Nebenwirkungen der Gentrifizierung ist aber kein Personal da. Tracey Grose, Vize-Chefin eines Instituts der Wirtschaftsförderungsgesellschaft, hält das nicht für klug. „Wir versagen bei der Schaffung von bezahlbaren Wohnungen.“ Dabei zählt die City gerade 26 Baukräne. Vor allem Büros und Luxus-Appartements. Wohnen für Reiche reicht nicht, sagt Grose. „Die Region wird bis 2030 eine Million Zuzüge haben.“
Im San Francisco leben 800 000 Menschen. Tagsüber bläht sich durch Pendler der Bauch auf zwei Millionen auf. Und 1900 Hightech-Firmen mit 45 000 Mitarbeitern hinterlassen Spuren. Aber kaum Bewusstsein für die Verwerfungen, die Wohlstand auslöst. „Ich bin seit 1999 hier“, sagt Jeremy Stoppelman im Gespräch mit dieser Zeitung, „und ich weiß nicht, ob es jemals billig war.“ Der Mittdreißiger hat „Yelp“ gegründet, eine global expandierende Internet-Version der Gelben Seiten. Stoppelman ist privat 250 Millionen Dollar wert.
Darling der Hightech-Branche
Auch Michael Buckwald sieht die Sache durch die beschlagene Brille eines reichen Tüftlers. „Es ist viel Talent in der Stadt. Leute, die es leid sind, sich jeden Morgen durch den Stau nach Süden zu quälen.“ Die Spezialsoftware seiner Firma erlaubt die Bedienung eines Computers per Fingerschwenk. „Leapmotion“ würde bei einer Übernahme einen hohen dreistelligen Millionen-Betrag abwerfen. Buckwald könnte sich Straßenzüge kaufen.
In einem Online-Forum hat ein Profiteur des Booms Feuer gelegt. Was schlimm daran sei, „wenn Versager die Stadt verlassen müssen“, weil sie es sich nicht mehr leisten können? Seither hat der Begriff „Google Scum“ im Netz hohe Klickzahlen -- Abschaum. „San Francisco sonnt sich im Image, der Darling der Hightech-Branche zu sein. Aber sie hasst die Techies“, schreibt Zeitungs-Journalist Carl Nolte. Er arbeitet für den „Chronicle“. Auch so eine Geschichte. In dessen Stammsitz zieht bald Yahoo ein.