Berlin..
Sie ist die Jüngste in Merkels Regierung. Das war Amtsvorgängerin Kristina Schröder auch. Doch kein Mensch redet bei Manuela Schwesig vom Kabinettsküken. Niedliche Etiketten versagen bei der neuen Familienministerin. Die Ostdeutsche verkauft sich als kühle, gewissenhafte Parteisoldatin. Im Mai wird die Sozialdemokratin 40 Jahre alt – eine Frau auf dem Höhepunkt einer rasanten Karriere.
Sie trägt viel Rot in diesen Tagen. Der rote Hosenanzug am Dienstag beim Bundespräsidenten, das rote Jackett am ersten Morgen im neuen Büro. Rot kann hellblonde Frauen im Winter blass machen – doch was soll’s? Rot ist die Farbe der Partei, das Signal kommt an. Für die SPD ist Manuela Schwesig wie ein Sechser im Personallotto: Weiblich und ostdeutsch, jung und fotogen, seit drei Jahren evangelisch getauft – und erfahren im Regieren.
Schwesig war fünf Jahre Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern, die Familienpolitik der Bundespartei trägt ihre Handschrift. Sie hat jede Menge Kröten geschluckt, in den Koalitionsverhandlungen mit der Union, und das Ergebnis trotzdem als Sieg für die SPD verkauft. Ein Profi eben.
Ein kalkulierter Eklat
Nur einmal hat es Zoff gegeben. Mitten in der Nacht droht sie der Union mit dem Scheitern der Verhandlungen. Es geht um die Homo-Ehe, CDU und CSU wollen sich keinen Zentimeter bewegen. „Küsten-Barbie lässt es krachen“, freut sich die Bild-Zeitung am nächsten Tag. Es ist ein kalkulierter Eklat kurz vor dem SPD-Parteitag. Schwesig holt dort am Ende ordentliche 80,1 Prozent als Stellvertreterin von Sigmar Gabriel.
Küsten-Barbie. Quoten-Frau. Das ist, was den Leuten so einfällt, wenn ihnen sonst wenig einfällt zu dieser Frau, die 2009 scheinbar aus dem Nichts auftauchte. Frank-Walter Steinmeier berief die Ostdeutsche in sein Schattenkabinett, da war sie gerade sechs Jahre in der Partei. Aufgefallen ist sie den Genossen aber schon früher: 2007 rüttelte der Tod der fünfjährigen Lea-Sophie das Land auf. Die Eltern hatten ihr Kind verhungern lassen, das Jugendamt in Schwerin hatte Hinweise auf Vernachlässigung, griff nicht ein. Schwesig, Fraktionschefin im Schweriner Stadtrat, machte sich einen Namen als Aufklärerin. Am Ende musste der CDU-Oberbürgermeister gehen.
Ursprünglich wollte die Schlossertochter Erzieherin für Heimkinder werden. Das war noch vor der Wende. Dann landete sie im Finanzamt. Jetzt ist sie Bundesministerin. Ein rasanter Aufstieg – und das mit kleinem Kind.
Im Interview hat sie mal erzählt, dass sie mit neun Monaten in die Krippe gekommen ist, damals in Frankfurt an der Oder. „Ich habe mich nie von meinen Eltern vernachlässigt gefühlt, weil beide gearbeitet haben.“ Auch Schwesigs Sohn Julian ist mit vierzehn Monaten in die Krippe gegangen, inzwischen geht er in die Grundschule. Schwesig hat sich für einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung eingesetzt – von der Krippe bis zur Schule. Vor allem in der CSU reagieren viele allergisch auf solche Sätze: Typisch Ostdeutsche, heißt es. Die will doch am liebsten die staatliche Rundumbetreuung von der Geburt bis zum Abitur!
Eine zugewandte Frau
Bei den Grünen sehen sie das anders. „Sie hat ein Herz für das Thema“, glaubt Familienpolitikerin Katja Dörner. Ihr Herz allerdings versteckt Manuela Schwesig oft hinter einer dicken Schicht spröder Sätze. Wie ein „Sprechautomat“, sagt eine, die oft mit ihr verhandelt hat.
Wer sie in einer ruhigen Minute in der Parteizentrale trifft und nach ihrer Vorgängerin fragt, erlebt eine andere, eine zugewandte, offene Frau. Was sie an Kristina Schröders Arbeit geschätzt hat? Lange sucht sie nach einer Antwort. Sie will fair sein. Die Jungenpolitik fällt ihr ein. Wenigstens etwas. Dann muss sie schon wieder weiter. Der Aufzug kommt, Schwesig drückt den Knopf nach unten, zum Ausgang im Erdgeschoss. Es kann ja nicht immer nur nach oben gehen.