Beirut/Kairo.


Eine arabische Pianistin, die Mozart spielt, findet niemand ungewöhnlich. Doch eine US-Künstlerin, die aussieht wie eine Cheerleaderin und dabei arabische Lieder so singt wie die großen Stars aus Kairo und Beirut, das hat es noch nie gegeben.

Deshalb war auch nicht nur die Jury der Talentshow „Arabs got Talent“ völlig aus dem Häuschen, als sich Jennifer Grout (23) aus Boston vor einigen Tagen mit Interpretationen arabischer Evergreens für das Finale des TV-Wettbewerbs am kommenden Wochenende qualifizierte. Auch das Publikum ist schlicht begeistert von der Performance der blonden Amerikanerin, die klassisches arabisches Liedgut mit einer solchen Inbrunst präsentiert, als hätte sie nie etwas anderes getan.

Dabei spricht sie kaum arabisch. Selbst als sie in der Show auf Arabisch nach ihrem Namen gefragt wurde, antwortete sie nicht, obwohl sie zumindest einige Zeit in Beirut gelebt hat und dort klassische arabische Musik studierte. Als junges Mädchen, erzählte sie einmal stolz, habe sie schon zusammen mit Wael Kfoury, einem libanesischen Pop-Star und Schönling, getrommelt.

Die Texte der Lieder, die sie heute singt, lernt Grout nach eigener Aussage schlicht auswendig, nicht anders als eine britische Sopranistin, die eine Verdi-Arie singen soll. „Du sprichst kein Wort arabisch, trotzdem singst du besser als manch andere arabische Sänger“, urteilte später Najwa Karam, eine libanesische Popdiva, die als eine der drei Preisrichter fungierte.

„Ich bezweifle, dass sie aus Amerika kommt, sie ist in Wirklichkeit aus Schubra (einem Stadtteil von Kairo)“, witzelte der ägyptische Schauspieler Ahmed Helmi während der Sendung, die der Sender MBC in Beirut aufzeichnet. Seine Jury-Kollegin, die libanesische Sängerin Najwa Karam, konstatierte schlicht: „Sie ist ein Star.“

Von den arabischen Medien wurde ihr Auftritt, der sie ins Finale brachte, gefeiert. Man handelt Grout sogar als Favoritin, den Wettbewerb zu gewinnen. Nur Nahla Mattar, die Direktorin des Umm Kulthum Museums in Kairo, hatte etwas auszusetzen. Sie sei zwar auch beeindruckt gewesen, aber letzten Endes sei es nur ein amerikanisches Mädchen, das eine Melodie gesungen habe.

Musikalisch hat sich Grout, die aus einer Musikerfamilie stammt und ihre Liebe zur arabischen Musik schon als Teenager entdeckt hatte, für ihre bisherigen Auftritte keine leichte Kost ausgesucht. Zuerst präsentierte sie „Fern von dir“, einen Klassiker der 1975 gestorbenen stimmgewaltigen ägyptischen Sängerin Um Kalthoum, der selbst für Muttersprachler mehr als nur eine Herausforderung ist. Danach entschied sie sich für „Oh Vögel“ von Asmahan, ein extrem schwieriges Stück, in dem die Sängerin Vogelstimmen imitiert.

Entscheidung am Samstag

Welchen Song Grout am kommenden Samstag bei der Endausscheidung von „Arabs got Talent“ zum Besten geben wird, ist noch nicht bekannt. Sie muss dann gegen elf weitere Talente aus verschiedenen Bereichen antreten. Als Sängerin hatte während der aktuellen Staffel der Sendung auch eine 18-jährige Ägypterin für Furore gesorgt. Majam Mahmud konnte der Amerikanerin zwar stimmlich nicht das Wasser reichen. Doch die junge Frau, die inzwischen ausgeschieden ist, singt nicht nur mit Wut im Bauch über Feminismus und politische Unterdrückung. Sie ist auch die erste arabische Rapperin, die mit Kopftuch im Fernsehen auftritt.