Essen. Ein weiterer Fernseh-Ermittler geht in Serie: Bruno van Leeuwen löst am Montag im ZDF-Film “Totenengel“ seinen zweiten Kriminalfall. Wer es düster liebt, wird in diesem Krimi intelligent bedient. Schauspieler Peter Haber ist vielen noch als “Kommissar Beck“ in Erinnerung.

Die Schweden sind unter uns. Ganz egal, wo sie ermitteln. Bruno van Leeuwen spürt die Mörder in Amsterdam auf, aber seine Seelenverwandtschaft zu all den melancholischen Grüblern aus Skandinavien, die unsere Fernsehwelt längst erobert haben, ist unverkennbar. Dass sein Darsteller Peter Haber aus Schweden stammt, passt. Und wer es düster und ein bisschen schwermütig liebt, der wird in seinem zweiten Fall „Totenengel“ (ZDF, Montag, 4.11.2013, 20.15 Uhr) intelligent bedient. Grimme-Preisträger Matti Geschonneck hat den Krimi geradlinig und mit großer Ruhe inszeniert.

Der Seelenzustand des Kommissars offenbart sich in den kleinen Gesten

Ein stiller, aber wachsamer Typ ist er, dieser van Leeuwen. In seinem Gesicht bewegt sich wenig, Peter Haber kontrolliert den Minimalismus jederzeit souverän, der Seelenzustand seiner Figur offenbart sich in den kleinen Gesten, in den langen Blicken. Die Regie lässt ihm alle Zeit zur Entfaltung. Einsam ist dieser van Leeuwen, hält es zu Hause nicht aus und streift durchs nächtliche Amsterdam, dem Kameramann Theo Bierkens mit kalten Bildern jede Romantik austreibt. Wer hier nach Humor fahndet, sucht besser gleich einen anderen Sender.

Die Autoren haben dem Ermittler ein dickes Paket auf die Schultern geschnürt. Seine Frau, die ein Kollege von ihm (Marcel Hensema) ebenfalls liebte, litt lange an Alzheimer und ist gestorben, eine Psychologin (Katja Riemann) soll ihm helfen. Lust aufs Leben verströmt er nicht mehr, und ausgerechnet der allgegenwärtige Tod hält ihn über Wasser. Im Rotlichtviertel ist ein Lehrer ermordet worden, eine Prostituierte (Christina Hecke) vertraut einem Nacht-Talker im Rundfunk an, dass sie etwas gesehen habe. Die Spuren führen van Leeuwen ausgerechnet in eine Klinik, die unter der Regie eines engagierten Arztes (Christian Berkel) aktive Sterbehilfe leistet. Dort liegt die todkranke Frau des Ermordeten.

Alleinsein als zentrales Thema des Films

Das Alleinsein wird in „Totenengel“ zum zentralen Motiv jenseits des eigentlichen Falls, der erst im letzten Drittel in Fahrt kommt, wenn es gilt, einen Serienmörder zu stoppen: der Polizist ohne Freunde und Familie, die Frauen, die ihren Körper abends in einer Seitenstraße im Schaufenster anbieten, die sterbenden Menschen, die im Krankenhaus das Ende herbeisehnen. Das gibt der Geschichte eine seelische Tiefe, die weit über den Standard herkömmlicher Fernsehkrimis hinausragt. Dabei gelingt es Geschonneck, aufs große Drama in Wort und Ton zu verzichten und dadurch erst recht die größtmögliche Wirkung zu erzielen: „Totenengel“ gewinnt seine Kraft aus der leisen, reduzierten Art, mit der der Regisseur erzählt. Da sitzt jeder Dialog, da passt jedes Bild, und die Schauspieler stellen sich jederzeit uneitel in den Dienst der Sache.

Ist die Qualität so hoch, fällt es einem leichter, sich eine weitere Krimireihe im deutschen Fernsehen vorzustellen, das Mord im Akkord produziert und so viele Polizisten beschäftigt wie nie zuvor. Die Lust auf Tatort und Co, auf Sokos und Polizeirufe, auf all die ermittelnden Skandinavier und Briten ist ungebrochen, wenn man sich die Quoten ansieht; mag auch noch so viel Mittelmaß dabei sein. Nun ist auch noch dieser van Leeuwen in Serie gegangen. Man freut sich aufs Wiedersehen.