Braunschweig. Mit ultrapräzisen Atomuhren geben Braunschweiger Forscher seit Jahren die Zeit in Deutschland vor. Am Sonntag lassen sie rund 100 Millionen Funkuhren in Europa auf die Winterzeit zurückspringen. Auch Ampelanlagen und Kraftwerke machen um Punkt drei Uhr den Zeitsprung mit.

Wenn Ekkehard Peik auf die Uhr blickt, sieht er meist keine Zeiger, sondern viele Zahlen. "9192631770 Hertz", stellt er zufrieden fest und zeigt auf die Ziffern im silbernen Schaukasten. Gelbe und grüne Lämpchen blinken wild durcheinander. "Das definiert, was genau heute einer Sekunde entspricht", erklärt er. Und ganz genau ist wichtig. Peik leitet den Fachbereich Zeit und Frequenz in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB).

Die Braunschweiger Forscher überwachen die gesetzliche Zeit. "Wir geben offiziell für Deutschland an, wie spät es ist", sagt Peik. Am Sonntag (27. Oktober) dürfen die Forscher wieder an der Uhr drehen - im übertragenen Sinn. Bei der Umstellung auf die Winterzeit senden sie über einen Funkturm in Mainflingen bei Frankfurt ein Signal, dass rund 100 Millionen Uhren in Europa vom Wecker bis zur Bahnhofsuhr um eine Stunde zurückspringen lässt. Auch Ampelanlagen und Kraftwerke machen um Punkt drei Uhr den Zeitsprung mit.

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"Die Frequenz ist der Taktgeber der Uhr"

Mit hochpräzisen Atomuhren sorgen die Wissenschaftler dafür, dass die Uhren im Land richtig ticken. Wurde die Weltzeit früher noch mit Hilfe der Erdrotation gemessen, schießen heute Cäsium-Atome durch blecherne Zylinder und werden mit Mikrowellenstrahlen in eine bestimmte Schwingung versetzt, bei der sich der Zustand der Atome ändert. "Die Frequenz ist der Taktgeber der Uhr", sagt Peik.

In das Braunschweiger Zeitlabor gelangt man durch eine Schleuse, eine Kupferummantelung schützt den Raum vor störenden Radiowellen. Das Labor besitzt eine eigene Notstromversorgung und ist vom Gebäudefundament abgekoppelt - der doppelte Boden soll Schwingungen von den Uhren fernhalten, wenn zum Beispiel ein Laster vorbeifährt. "Die Sicherheit wird großgeschrieben", erklärt Peik.

Vier Atomuhren stehen im Labor, die beiden auf der rechten Seite gehören zu den besten der Welt. Kein Klicken, kein Ticken und kein Piepsen, nur leise summen die Maschinen im Hintergrund. "Gramm, Volt, Meter - wir kümmern uns um alle physikalischen Größen, die sich messen lassen", meint PTB-Sprecher Jens Simon, "aber keine andere Größe lässt sich so gut messen wie die Zeit". "Wir sind mittlerweile bei der 16. Nachkommastelle", sagt auch Peik.

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Forscher wollen die Zeit noch präziser bestimmen

Die Forscher tüfteln ständig an den Prototypen, um die Zeit noch ein wenig präziser zu bestimmen. Sie stimmen die Uhren untereinander und mit Atomuhren auf der ganzen Welt ab. Das Mittel gibt die koordinierte Weltzeit vor. "Auch der Normalbürger hängt an dieser Infrastruktur", ist Peik überzeugt. Satellitennavigation, Mobilfunknetze und Stromversorger sind abhängig von der exakten Zeitvorgabe.

Die Umstellung am Sonntag läuft übrigens ganz automatisch ab. "Wir haben Rufbereitschaft, aber in mehr als 30 Jahren ist nie ein Kollege aus dem Bett geklingelt worden", berichtet Peik. Nur in Mainflingen steht Personal bereit, falls der Sender bei Sturm und Gewitter ausfällt und wieder aktiviert werden muss. Aber in Braunschweig ist die zusätzliche Stunde schon längst einprogrammiert. "Manuell geht das ja gar nicht", meint Peik. "Das wäre zu ungenau." (dpa)