Moskau. .

Dem „ewigen Sommer“ droht in Russland das Aus. Massenweise fordern Bürger die Staatsduma auf, doch bitte die Winterzeit wieder einzuführen. „Mit Schrecken warten viele Menschen auf den Wintereinbruch“, erzählt der Abgeordnete Sergej Kalaschnikow. Denn schon im November, wenn im Westen soeben die Uhren zurückgedreht wurden, drohen wieder lange dunkle Morgen. Um die Wintersonnenwende herum sehen viele Angestellte überhaupt kein Tageslicht: In der Hauptstadt Moskau bricht die Sonne erst gegen 9.30 Uhr langsam durch, lange vor 18 Uhr ist sie bereits wieder verschwunden.

Selbst Kremlchef Wladimir Putin falle das Aufstehen wegen der langen Dunkelheit schwer. Der Präsident hat sich selbst schon kritisch über das Reformprojekt seines politischen Ziehsohns Dmitri Medwedew geäußert und Probleme eingeräumt. Die Zustimmung in der Bevölkerung zur derzeitigen Zeitregelung ist einer Umfrage des staatlichen Meinungsforschungsinstituts Wziom zufolge von 73 Prozent vor zwei Jahren auf 34 Prozent abgesackt.

Mehr Stress und schlechtere Gesundheit: Das Leben ohne Winterzeit schlägt den Russen aufs Gemüt. Ärzte berichten von einer steigenden Zahl von Selbstmorden wegen Depressionen. Viele Technikfreaks empören sich darüber, dass ihre modernen Smartphones und Tablets Ärger bereiten, die sich automatisch auf Winterzeit umstellen. Sportfans klagen über späte Anstoßzeiten bei internationalen Fußballspielen. Und auch die Wirtschaft beschwert sich über Nachteile durch den Zeitunterschied von drei statt zwei Stunden zu Westeuropa im Winter.

Noch fürchtet die Führung in Moskau aber offenbar, mit dem Hin- und Herschalten zum Gespött zu werden. Die Abschaffung der Winterzeit im Jahr 2011 sei das einzige verbliebene Reformprojekt Medwedews aus seiner Zeit als Präsident von 2008 bis 2012, betont Echo Moskwy. Als Vorteil „für Mensch und Vieh“ hatte Medwedew damals sein Vorhaben gepriesen. Ein Ende des „ewigen Sommers“ stünde daher auch symbolhaft für ein Scheitern Medwedews, meinen Kritiker.

Dem Kreml bietet sich aber nun ein Ausweg an: Denn auch das Internationale Olympische Komitee fordert die Rückkehr zur Winterzeit. Die Olympischen Winterspiele 2014 im russischen Sotschi sollen schließlich zur Hauptsendezeit über die Bildschirme in Deutschland und den anderen begeisterten Wintersportnationen in Westeuropa flackern. Nicht ausgeschlossen also, dass Russland schon Ende Oktober wieder an der Uhr dreht.