Moskau. . Pussy-Riot-Mitglied Nadeschda Tolokonnikowa (23) ist aus Protest gegen “unmenschliche“ Haftbedingungen in ihrem Straflager in den Hungerstreik getreten. Dies sei “der einzig mögliche Ausweg“, schrieb die Aktivistin in einem am Montag veröffentlichten Brief. Ein Beamter habe ihr sogar mit dem Tode gedroht.

Nadja Tolokonnikowa ist in den Hungerstreik getreten. Die Aktivistin der feministischen Künstlergruppe „Pussy Riot“ protestiert damit gegen die „Sklavenarbeit“ in der mordwinischen Strafkolonie, in der sie ihre zweijährige Haft verbüßt. Tolokonnikowa, 23, und zwei Mitstreiterinnen waren im August wegen Rowdytums verurteilt worden, weil sie in der Moskauer Erlöserkirche Anti-Putin-Gesänge angestimmt hatten.

In einem offenen Brief schildert Nadja Tolokonnikowa den Alltag in ihrem Straflager als Schreckensregime. Die gefangenen Frauen müssten als Näherinnen 16 Stunden täglich im Akkord arbeiten, für einen Monatslohn von umgerechnet knapp 70 Cent.

Laut Tolokonnikowa nötigen die Vollzugsbeamten die Häftlinge zudem dazu, sich gegenseitig zu terrorisieren. So hätten die Frauen Neulinge, die zu langsam schneiderten, gezwungen, nackt zu arbeiten. Ein Mädchen, das eine Hose zu spät abgab, sei mit einer Schere schwer am Kopf verletzt worden. Widerspenstige würden mit Hieben ins Gesicht und die Nieren zusammengeschlagen. Vor einem Jahr sei eine Sintifrau totgeprügelt worden.

Strafvollzugsbehörde dementiert Berichte

Die Verpflegung bestehe zum Großteil aus angefaulten Kartoffeln, für 800 Frauen gäbe es fünf Waschbecken. Außerdem würden die Sträflinge mit Strafen drangsaliert, wie Wasch-, Rauch- und Kloverbot oder dem Aussperren aus der Wohnbaracke bei Frost. Einer Frau hätte man danach mehrere Finger und ei­nen Fuß amputieren müssen.

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Die Vollzugsbeamten setzten die Frauen außerdem konkret unter Druck, Tolokonnikowa zu mobben. „Einer Freundin strichen sie die Entlassung wegen guter Führung, weil sie Tee mit mir getrunken hatte“, schreibt sie.

Der Pressedienst der mordwinischen Strafvollzugsbehörde teilte gestern mit, die Häftlinge in der Kolonie arbeiteten täglich nur acht Stunden. Tolokonnikowas Anwältin Irina Chrunowa und ihr Ehegatte aber hätten Anstaltsleiter Kuprijanow bei einem Treffen am 17. September praktisch erpresst: Entweder versetze er Nadja in eine Kunstwerkstatt oder man werde ihn öffentlich wegen Morddrohungen anzeigen.

Nach Ansicht des Menschenrechtlers Maxim Gromow, der wegen eines Anti-Putin-Happenings drei Jahre inhaftiert war, klingt Tolokonnikowas Brief jedoch realistisch: „Folter durch Schläge und Kälte gehören noch immer zur alltäglichen Praxis“, sagte er dieser Zeitung.