Washington. . Bei der alljährlichen Leistungsshow des Musiksenders MTV am Sonntag in New York räumte der Frontmann der vor über zehn Jahren eingestellten Gruppe `N Sync mit vier Trophäen erwartungsgemäß die meisten Preise ab. Zuschauer von Miley Cyrus waren weniger begeistert.

Die Künstlerbiografien ehemaliger Teenie-Idole sind voll von hübschen Emanzipationsgeschichten. Ronan Keating (Boyzone) und Robin William (Take That) starteten erfolgreich eine zweite Karriere, nachdem sie sich das in den Fantasien pubertierender Mädchen hoch gehandelte unschuldige Bübchen-Image mühsam abgeraspelt hatten. In die Liga des aus Tennessee stammenden Baptistensohns Justin Timberlake habe sie es ausweislich diverser Verkaufsstatistiken trotzdem nie geschafft. Der 32-Jährige, der auf der Bühne und am Mikrofon restlos alles kann: tanzen, singen, rappen, schauspielern und das maßlos lässig und charmant, ist der Chef im Olymp der Ex-Boygroup‘ler.

Preise abgeräumt

Bei der alljährlichen Leistungsshow des Musiksenders MTV am Sonntag in New York räumte der Frontmann der vor über zehn Jahren eingestellten Gruppe `N Sync mit vier Trophäen erwartungsgemäß die meisten Preise ab; darunter einen für sein naturgemäß noch junges Lebenswerk. Nachdem „Mirrors“ zum Video des Jahres gekürt wurde, bediente Timberlake die Tränendrüse. Das Lied sei nach dem Tod des Großvaters entstanden, sagt er leise. „Ich hoffe, meine Großmutter schaut gerade zu. Der Preis ist für dich, Omi.“

Jimmy Fallon, Late-Night-Quasselstrippe, Moderator des Abends und Timberlakes Kollaborateur in einem wegweisenden Video über die Geschichte des Rap, kürte ihn hernach zum „Präsidenten des Pop“. Timberlake, wie immer bescheiden und doch selbstbewusst, bedankte sich artig: „Ich habe diese Auszeichnung doch gar nicht verdient. Aber ich gebe sie natürlich auch nicht zurück.“

Wie weit sich der Meister des schlagsahnigen Refrains von den Anfängen fortentwickelt hat, bekamen die Zuschauer im Barclays Center von Brooklyn und an den Fernsehschirmen zu sehen, als ‘N Sync ein Mini-Comeback feierte. Während man Lance Bass, JC Chasez, Joey Fatone und Chris Kirkpatrick die künstlerische Auszeit bei jeder Bewegung ansah, war Timberlake mit jeder Faser Entertainer.

Erst im Strampelanzug, dann im Nackt-Bikini

Verblüffend leichtfüßig und stimmsicher navigierte der Star des Abends später durch einen 20-minütigen Solo-Auftritt, der abseits alter Hits nachvollziehbar macht, warum Fans wie Kritik Timberlake für die beste Erfindung seit Sinatra, Dean Martin und Sammy Davis Jr. halten. Nach „The 20/20 Experience,“, dem meistverkauften Album des Jahres, kommt nun „The 20/20 Experience: 2 of 2“ in den Handel. Erneut zu erwarten: Lässig aus der Hand geschüttelte Schnulzen zwischen R & B und Edel-Pop, messerscharfes, an Funk und Soul geschultes Falsett. Dazu Bewegungstalent im Übermaß.

Was man über Miley Cyrus nicht widerspruchslos wird behaupten können. Mit knapp fünf Millionen Wortbeiträgen gewann die 20-Jährige zwar den allgegenwärtigen Wettbewerb bei einem einschlägigen Kurznachrichtendienst. Zuschauer wie Musik-Journaille waren indes vom Auftritt des Popsternchens, das mit Macht aus den Hannah-Montana-Fernseh-Kinderschuhen strebt, nur bedingt begeistert. Erst im Strampelanzug, später im hautfarbenen Nackt-Bikini bemühte sich die Sängerin allein und mit Ein-Tages-Hitfliege Robin Thicke mit einschlägigem Hüftkreisen, Popo-Vorzeigen, In-den-Schritt-greifen und Sexspielzeug aus Schaumstoff um Schlüpfrigkeit. Wiederum besagtem Kurznachrichtendienst ist zu entnehmen, dass Gästen wie Hollywoodstar Will Smith „der Kinnladen“ heruntergefallen sein soll. Agenturen schrieben schnappatmend von „Skandal-Auftritt“. Dass die inszenierte Provokation und das fein abgeschmeckte Spielen mit Rollen-Etiketten und Tabus nicht erst seit Lady Gaga zum Älterwerden im Schau-Geschäft gehört, schien in Vergessenheit geraten zu sein. Apropos: Auf dem herrlich morbiden neuen Album von Nick Cave & The Bad Seeds gibt es den „Higgs Boson Blues“. Darin kommt Miley Cyrus auch vor. Als Wasserleiche.