Der "Tatort" meldet sich mit "Geburtstagskind" leise zurück
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Ulrich Tukur hat für seinen vierten Auftritt als Wiesbadener Kommissar in diesem Herbst schon mal einen „Tatort“-Leichenrekord ankündigt: 47 Tote, nun ja. Aber auch ohne solche zweifelhaften Superlative dürfte dem „Tatort“ in der neuen Saison einmal mehr die ungeteilte Aufmerksamkeit sicher sein. Denn „Tatort“ ist der deutsche Sonntagabend – auch wenn er an diesem Sonntag mit dem Luzerner Fall „Geburtstagskind“ (ARD, So., 20.15 Uhr) eher leise einsteigt.
Aber es dürfte ja auch niemanden überraschen, dass die ARD nicht gerade in den Sommerferien ihre Münsteraner Komödianten und Superquoten-Garanten Prahl und Liefers ins Gefecht schickt oder den Hamburger Ballermann Til Schweiger, der gleich zum Auftakt die 12-Millionen-Zuschauer-Marke knackte.
Im Winter verabschiedet sich Joachim Kròl mit seiner letzten Folge aus Frankfurt, einer der herausragenden Ermittler. Nina Kunzendorf hatte das wunderbare Duo mit ihrem Ausstieg gesprengt, ohne sie will Kròl nicht mehr weitermachen, man kann’s verstehen. Ihre fünf Filme bewiesen, zu welcher Qualität der „Tatort“ zuweilen finden kann.
Tatort aus Luzern - Humorfrei und bieder
Als Weihnachtsgeschenk serviert die ARD mit Nora Tschirner und Spaßvogel Christian Ulmen ein weiteres Duo und schafft die Kameras nun auch noch nach Weimar. Das ebenso undifferenzierte wie inflationär benutzte Wort „schräg“ ist mit Blick auf die Besetzung mehrfach gefallen; es füttert eine gewisse Skepsis.
Denn der Versuch, mit Devid Striesow in Saarbrücken das Modell des schrillen Außenseiters zu etablieren, ist in dessen ersten beiden Fällen aufs Peinlichste gescheitert. Ob die ebenso einhellige wie saftige Kritik am Konzept im Südwesten etwas ändert? Wohl kaum.
Vollkommen humorfrei, aber auch allzu bieder geht es bei den Kollegen in Luzern zu, ach ja, diese Schweizer, möchte man stöhnen. Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) erledigen ihre Arbeit ganz seriös und sehen gut aus, bleiben dabei aber doch eher farblos; ihre Erfinder wissen mit den Figuren nicht viel anzufangen. Umso mehr brauchen sie starke Drehbücher.
Diesmal müssen sie den Mord an einem 14-jährigen Mädchen aufklären, dem „Geburtstagskind“. Der Teenager war im dritten Monat schwanger, wurde offenbar missbraucht, und die Familienverhältnisse sind natürlich kompliziert.
Der Stiefvater (gespenstisch: Oliver Bürgin) sitzt einer christlichen Sekte namens „Kreis der Gnade“ vor und empfängt seine Befehle wohl aus anderen Sphären. Als besonders guter Mensch hatte der gottesfürchtige Mann die drogensüchtige Mutter (Sarah Spale) samt ihrer beiden Töchter einst von der Straße geholt.
Der leibliche Vater (Marcus Signer) gibt allerdings nicht klein bei und nutzt jede Gelegenheit, um als Krawallmacher den vermeintlichen Seelenfrieden der Familie zu stören und greift auch mal zur Waffe, um seine Interessen zu verteidigen.
Tatort als Familiendrama statt Sektenkrimi
Moritz Gerber (Buch) und Tobias Ineichen (Regie) entscheiden sich gegen die Verführung, einen kritischen Sektenfilm zu inszenieren. Die Glaubensgemeinschaft, an der die Polizisten abprallen, bleibt eine diffuse Runde, ohne dass man ihr je wirklich nahe käme. Der simpel konstruierte „Wer war’s“-Krimi setzt eher aufs Familiendrama.
Das allerdings strotzt doch vor Längen und schlägt allzu schnell seinen vorhersehbaren Weg ein. Und selbst mit einer Entführungswendung am Ende lässt sich die schmerzlich vermisste Dramatik nicht herstellen.
Den Saisonstart hat der „Tatort“ vermasselt. Aber er kann’s ja besser.
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