Fernsehen kann widerlich sein. Man hätte allerdings kaum für möglich gehalten, dass es den Öffentlich-Rechtlichen einmal gelingen könnte, Krawallsender wie RTL mit irgendeinem Format zu überflügeln: Mit „Auf der Flucht - das Experiment“ ist es dem ZDF gelungen.

Am Anfang werden die Handys und die Pässe eingesammelt, denn man will den sechs Kandidaten ja in den nächsten drei Wochen das Leben so richtig schwer machen. Es geht aber nicht mit RTL ins Dschungelcamp, sondern mit dem ZDF auf die Route von Flüchtlingen, damit man mal so richtig nachfühlen kann, wie dreckig es den armen Menschen auf wackeligen Booten und in Auffanglagern auf Lampedusa geht. Die Idee, die der vierteiligen Reihe „Auf der Flucht“ (gestern Abend zdf-neo, ab 3. September im ZDF) zugrunde liegt, ist schon zynisch genug, aber wenn’s dann losgeht, möchte man eigentlich heulen, so peinlich ist das.

Das allerdings erledigen die Kandidaten für uns. Vor allem Mirja du Mont, leidlich bekannt geworden durch ihre Ehe mit dem silbrig glattgeföhnten Sky du Mont. Sie schnieft, sobald die Kamera läuft und sich menschliche Schicksale vor ihr auftürmen. Und wenn sie mal den Mund nicht zum Schluchzen aufmacht, dann entfleuchen ihr solche Perlen wie: „Guck mal, das könnte meine Nachbarin sein, die sieht voll normal aus.“ Mit ihr sind ein dumpfbackiger Nazi-Aussteiger, eine Streetworkerin türkischer Herkunft, eine Thilo-Sarazin-Verehrerin, ein ehemaliger Bundeswehrsoldat und Stephan Waldner, ehemals Sänger der „Böhsen Onkelz“ auf dem kruden Pädagogiktrip, damit aus ihnen bessere oder noch bessere Menschen werden. Braucht man wirklich nur ein paar starke Bilder und Emotionen, um auch den letzten Fremdenfeind umzudrehen, wie es uns die Reihe nahelegt? Sogar der Ex-Nazi, dem die NPD mal zu demokratisch war, stammelt irgendwann: „Ich hab’ zum ersten Mal Mitleid“. Es ist lächerlich.

Weil wir nicht bei RTL, sondern beim ZDF sind, unterfüttern die Macher das Trashformat mit durchaus seriösen Fakten, um irgendwie auch noch eine Prise Bildungsauftrag in diesem Kasperletheater unterzubringen. Ohne freilich auf dramatische Musik zu verzichten, mit der man sich dann doch wieder bei den Privaten wähnt und den nächsten Werbespot herbeisehnt. Er kommt aber nicht.

Sobald man vielleicht etwas Berührendes von wirklich Leidenden an den Zäunen der Camps, oder den Dörfern in Afrika oder Asien erfahren könnte, ist man schon wieder der Schwatzhaftigkeit dieser Touritruppe ausgeliefert. Und dreht lieber den Ton ab.Natürlich ist schwer zu vermuten, dass diesem sogenannten Experiment gute Absichten zugrunde liegen. Tatsächlich ist es nötig, über das Schicksal von Flüchtlingen intensiver zu informieren. Was es so abstoßend macht, ist die Verbindung zu einem reißerischen Format, in dem die wirklich Betroffenen letztlich doch nur als Staffage für ein spektakuläres Spielchen dienen. Am Ende werden die sechs sogar in ein Boot steigen, um nachzufühlen, wie es sich denn darin anfühlt. Wie gesagt: widerlich.