Essen. . Mit 820 Spielen (1974 bis 2000) führt er bis heute die Liga-Rangliste der Trainer an – Otto Rehhagel, der Mann, der in Deutschland „König Otto“ genannt wird und 2004 als Nationaltrainer Griechenland zum Fußball- Europameister machte. An diesem Freitag feiert der gebürtige Essener seinen 75. Geburtstag. Glückwunsch!
Die, die damals dabei waren, erzählen diese Anekdote immer noch gern. Sie spielt an einem Sommerabend vor neun Jahren, aber das macht nichts, wie alle guten Anekdoten ist sie zeitlos und sie verrät viel über den Mann, um den es geht. Der Mann heißt Otto Rehhagel, er hatte an diesem milden Abend in Portugal mit der Nationalelf Griechenlands das Viertelfinale der Fußball-Europameisterschaft 2004 erreicht, ein Land in einen Freudentaumel und einen Kontinent in Erstaunen versetzt. Otto Rehhagel aber erspähte nach der Partie einen deutschen Journalisten und hielt ihm aus dem Gedächtnis nahezu wortgetreu einen fünf Jahre alten Artikel vor, über den er sich geärgert hatte.
Man könnte sagen: So also ist er, Otto Rehhagel, der sich Kind der Bundesliga nennt, obwohl er mit und in dieser Liga erst erwachsen und dann der Mann geworden ist, den sie König nennen. König Otto. Ist das etwa nichts?
„Modern ist, wer Spiele gewinnt“
Der König prägte eine Ära, er arbeitete 14 Jahre lang bei Werder Bremen, er wurde dort ein großer Trainer, er gewann Meisterschaft, Pokal und Europapokal. Er führte später den 1. FC Kaiserslautern als Aufsteiger zur Meisterschaft. Das ist etwas, das ihm in hundert Jahren niemand nachmachen wird, sagt sein ehemaliger Spieler Rudi Völler heute noch. Und als Otto Rehhagel ins Rentenalter kam und als taktisches Auslaufmodell galt, da wurde er Nationaltrainer Griechenlands. Im Jahr 2001 war das, Rehhagel war damals 63.
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Drei Jahre später, in Deutschland wurde gerade das Wort Konzepttrainer erfunden, machte er Griechenland zum Europameister. Eine Zeitung ätzte, Rehhagel habe elf Spieler namens Betonidis eingesetzt. „Modern ist, wer Spiele gewinnt“, konterte Rehhagel. Das war ein unschlagbarer Satz, aber Otto Rehhagel ist schließlich auch ein großer Trainer, der den Fußball manchmal wunderbar auf das Wesentliche reduzieren kann. Ist das denn nichts?
Eine Aufsteiger-Geschichte
Prominente Freunde beklagen trotzdem die Behandlung, die Otto Rehhagel in Deutschland angeblich erfährt. Sozialneid hat es einer genannt. Weil Rehhagel in einer Bergarbeiterfamilie in Essen aufwuchs und Maler lernte? Sein Leben ist tatsächlich nichts weniger als eine wunderbare Aufsteiger-Geschichte. Sie wird inzwischen nur selten so geschrieben. Vielleicht hat das angefangen, als das Magazin Stern Rehhagels Bremer und ihn vor 25 Jahren auf ein Segelschiff gebeten hat.
Man steckte die Spieler in Seemannskluft und Rehhagel in eine Kapitänsuniform, und man sagte keinem, was später über dem Bild stehen würde: Antreten zum Abtakeln. Seitdem wirkt Rehhagel wie der Treckführer im Western, wenn die Wagenburg gebildet wird: wir hier drinnen gegen die da draußen. Er feierte alle seine Erfolge mit dieser Mentalität, in Bremen, in Kaiserslautern, in Griechenland. Also in der Provinz, sagten die da draußen. Drinnen klang es anders: viele seiner Spieler schwärmen heute noch von seiner Treue, wenn er Vertrauen in sie gefasst hatte.
Verlangen nach Anerkennung
In München hat er sich versucht, auf der großen Bayern-Bühne. Es ging nicht gut, am Tag seiner Beurlaubung ätzte Uli Hoeneß, man habe das erste Trainerehepaar der Liga entlassen. Was keine Art war, Rehhagels bis heute 43 Jahre lang haltende Ehe mit seiner Jugendliebe Beate ins Spiel zu bringen. Auch Rehhagels Lieblingsfeinde, die Journalisten, blieben ihm nichts schuldig, sie kolportierten so schnell wie lustvoll, dass er sich den Tarnnamen Rubens für sein Klingelschild ausgesucht hatte.
Und spiegelte es sich darin nicht wider, ein permanentes Verlangen nach gesellschaftlicher Anerkennung? Er kann dann vor Kameras schwierig sein, nachtragend, hochmütig, manchmal entrückt: Ihr, was wollt ihr mir erzählen? Alles schon erlebt, immer dabei gewesen. Ein Kind der Bundesliga, das heute 75 Jahre alt wird.
Dabei wäre der Fußball wirklich nichts ohne ihn. Ohne den Mann, der gleich nach dem Kaiser kommt. König Otto: Ist das denn nichts?