Washington. . Sergeant Alonzo Lunsford Jr. war Opfer des Amoklaufs am 5. November 2009. Nur weil er sich tot stellte, hat er überlebt. Ein islamistischer Amokläufer schoss dem Sergeant auf der Armee-Basis Fort Hood in Texas in den Kopf und fünf Mal in den Körper. Nun sieht er seinem Peiniger beim Prozess ins Gesicht.

Für Opfer von Gewalttaten ist die Begegnung mit dem Täter im Gerichtssaal oft schwerer zu verkraften als das eigentliche Trauma. Was an diesem Dienstag auf Sergeant Alonzo Lunsford Jr. wartet, ist noch eine Leidensstufe darüber. Am 5. November 2009 wurde dem heute 46-Jährigen von einem islamistischen Amokläufer auf der Armee-Basis Fort Hood in Texas in den Kopf und fünf Mal in den Körper geschossen. Der Sergeant stellte sich erst tot, floh dann und wurde erneut angeschossen. Seither ist der Mann auf einem Auge blind.

13 Menschen starben bei dem folgenschwersten Terror-Anschlag auf US-Boden seit dem 11. September 2001. Über 30 wurden schwer verletzt. Der Täter, Major und Militär-Psychiater Nidal Malik Hasan, steht nach vielen Verzögerungen ab heute vor dem Militärgericht. Dem 42-jährigen bekennenden Radikal-Islamisten droht die Todesstrafe, Lunsford und anderen Zeugen ein Nervenkrieg.

Hasan hat sämtliche Verteidiger mürbe gemacht. Er wird als sein eigener Anwalt auftreten und während des auf einen Monat angesetzten Verfahrens auch jene ins Kreuzfeuer nehmen, die er vor vier Jahren binnen weniger Minuten mit einer halbautomatischen Pistole fast erschossen hätte. Mit Hasan bekommt es die Militär-Justiz mit einem von manchen Gutachtern hochintelligent, von anderen Zeugen paranoid genannten Mann zu tun, der seine Gesinnung lange Zeit erfolgreich hinter der Armee-Uniform zu verstecken verstand.

Täter war ein ausgebildeter Arzt und Psychiater

Vor seiner Stationierung im Sanitätsbereich der Militärbasis war der Sohn palästinensischer Einwanderer, der 1970 in Virginia geboren wurde, im Militärkrankenhaus in Washington tätig. Die US-Armee finanzierte ihm dort eine Ausbildung zum Arzt und Psychiater. Hasan behandelte reihenweise Kriegs-Veteranen aus Afghanistan und dem Irak, die mit post-traumatischem Stress-Syndrom von ihren Einsätzen zurückgekehrt waren.

In dieser Zeit, so sagt er über sich selbst, sei die Überzeugung gewachsen, etwas gegen die amerikanischen Besatzer in der muslimischen Welt unternehmen zu müssen. Wörtlich sagte Hasan bei seinen Vernehmungen, er habe die Taliban und deren Anführer Mullah Omar „beschützen“ wollen.

Nach dem Amoklauf ermittelte die Militärpolizei, dass Hasan per E-Mail zwei Dutzend Mal Kontakt mit dem seinerzeit im Jemen lebenden Terror-Führer Anwar-al-Awlaki hatte. Awlaki, der – obwohl US- Staatsbürger – im Herbst 2011 bei einem Drohnenangriff im Jemen hingerichtet wurde, und Hasan besuchten die Dar-al-Hijrah-Moschee in Falls Church bei Washington. Dort hatten auch drei der Attentäter des 11. September gebetet.

Hasan darf sich nicht schuldig bekennen

Hasan, der bei der Schießerei 2009 verwundet wurde und seither querschnittsgelähmt ist, wollte sich schuldig erklären. Militärvorschriften verhindern jedoch die Annahme eines Schuldbekenntnisses, das zur Todesstrafe führen könnte. Hasan kündigte an, im Prozesses den Nachweis führen zu wollen, dass Amerika in Afghanistan einen „illegalen Krieg“ geführt hat.

Dass die Armee bisher fünf Millionen Dollar für den Fall ausgegeben, den Gerichtssaal aufwändig zum Hochsicherheitstrakt ausgebaut hat und Hasan jedes Mal mit dem Helikopter aus einem Gefängnis eingeflogen wird, widerstrebt vielen Militärangehörigen. Sie erhoffen die Todesstrafe für den Rollstuhlfahrer. Wissend, dass es der erste Armee-Angehörige seit über 50 Jahren wäre, bei dem die Maximalstrafe verhängt und vollstreckt würde. 1961 wurde John Bennett gehängt. Der Soldat hatte ein elf-jähriges Mädchen in Österreich vergewaltigt und fast ermordet. In der Militärbasis in Kansas sitzen derzeit fünf Soldaten im Todestrakt, einer davon seit 24 Jahren.

Kosten für die Operation trug das Opfer selbst

Sergeant Lunsford und andere Opfer und deren Angehörige reagieren mit Unverständnis, dass der Amoklauf im Verteidigungsministerium unter „Gewalt am Arbeitsplatz“ firmiert. Und nicht als Beispiel für das Unheil, zu dem „homegrown terrorists“ fähig sind, Terroristen, die in Amerika geboren, aufgewachsen und sozialisiert wurden. Anders als Hasan wurde Lunsford nicht jede Unterstützung zuteil. Während seiner Krankenhaus-Rehabilitation, berichtete der Veteran der „New York Times“, pfändete die Armee seinen Sold. Die Kosten für die Operation, mit der eine Kugel aus seinem Rücken entfernt wurde, musste er selber tragen.