Hagen. . Die ARD-Dokumentation über den Bayer-Konzern zeichnet ein nostalgisches Porträt des „Wirtschaftswunder-Kindes“ – und verpasst die Chance zu kritischen Nachfragen. So entsteht ein unterhaltsames, aber sehr einseitiges Bild, das einige wesentliche Belange ausklammert - zum Beispiel die der Beschäftigten.

Eine Unternehmensgeschichte von Aspirin bis Zyklon B kann man erwarten, wenn der Titel „Die Bayer-Story“ (ARD, 23.35 Uhr) lautet und kurz nach dem 150. Geburtstag des Chemiegiganten aus Leverkusen gesendet wird. Doch die Erwartungshaltung erfüllt diese Doku des WDR nicht, und am Ende der 45 Minuten fühlt man sich besser unterhalten als informiert.

1933 leuchtete das riesige Bayer-Kreuz aus tausenden Glühbirnen erstmals auf, ein Menetekel im Jahr der Machtergreifung. Da gehörte Bayer längst schon zum Chemie-Konglomerat IG Farben, das das Monster Hitler mit an die Macht brachte, dafür Milliardenaufträge produzierte, das Vergasungsgift Zyklon B für die Vernichtungslager produzierte und in den KZ Häftlinge bis zum Tod ausbeutete. 4000 Zwangsarbeiter schufteten 1944 allein in Leverkusen.

Gegründet in Wuppertal

Das alles arbeiten die Filmemacher Konstanze Burkard und Falko Daub pflichtschuldigst gleich zu Beginn kurz ab, zusammen mit der Gründungsgeschichte in Wuppertal. Eigentlich geht es ihnen aber nicht um 150 Jahre eines Weltunternehmens aus der deutschen Provinz. Ihre Bayer-Story ist die Geschichte vom Aufstieg und vom späteren Sündenfall eines Wirtschaftswunder-Kindes, das heute nur noch zufällig so heißt wie ein mit Chemieprodukten erfolgreicher Kaufmann des 19. Jahrhunderts.

Mit Ausschnitten aus alten Zeichentrick-Werbefilmen im HB-Männchen-Stil und historischem Filmmaterial von Bayer selbst malt der WDR das nostalgische Bild vom Riesen am Rhein als soziales Netzwerk der Nachkriegszeit und vom Global Player in den Sechzigern, als der Begriff noch gar nicht geprägt war. Das schaut man immer wieder gerne, ebenso die Bilder der ersten Umweltschützer, die sich nur mit ihren Schnauzbärten bewaffnet vor die mit Dünnsäure beladenen Bayer-Schiffe Richtung Nordsee warfen.

Heimelige Bayer-Familie

Früher war ganz Leverkusen ein Stadtteil von Bayer, und alle lebten glücklich und zufrieden bis zur Rente von der Aspirin-Rendite. Mit der Heimeligkeit in der Bayer-Familie ist es längst vorbei, und die altgedienten Familienmitglieder der Bayer-Luftsportgruppe beklagen vor der Kamera, dass sie von Bayer kein Geld mehr für ihre Sportflugzeuge bekommen. Mitarbeiterflugzeuge, das dürfte Renditejägern von heute wie ein Märchen aus dem schlimmsten Sozialismus vorkommen.

Die haben längst das Sagen unter dem Bayer-Kreuz, und der WDR lässt die beiden Bosse, den Vorstandsvorsitzenden und den Aufsichtsratsvorsitzenden, auch zu gerne in ihrer Smartheit zu Wort kommen.

Vielleicht hätte man gerne auch als Gegenpart einen Betriebsrat gehört, oder einen Stadtrat von Leverkusen. So erreicht die „Bayer-Story“ trotz vieler schöner Bilder rund um die BayArena der Bayer-Werkself keine Doku-Meisterschaft. Vizekusen eben.