Orlando.. Talia Joy Castellano hat den Krebs tapfer weggeschminkt und mit ihren Kosmetik-Videos auf Youtube Millionen Menschen rund um die Welt inspiriert. „Ich wollte mich endlich wieder so sehen, wie ich war“, sagte sie in einer Talkshow. Jetzt ist das Mädchen aus Florida im Alter von 13 Jahren gestorben.

An den Tag, ab dem sich Talia Joy Castellano nicht mehr nur krank fühlen wollte, sondern schön krank, kann sich das Pflegepersonal im Arnold Palmer Hospital noch lebhaft erinnern. „Plötzlich lag sie da in ihrem Bett, der Teint so gesund, die Lippen vom Gloss strahlend, die Augen mit Kajal hervorgehoben, Rouge auf den Wangen, Mascara auf den Wimpern. Sie wirkte so stolz, so hinreißend, so gar nicht verzweifelt und am Ende ihrer Kräfte.“ Eine optische Täuschung, eine mit Absicht.

Talia Joy Castellano hatte kurz zuvor gerade erfahren, dass sich zwei der heimtückischsten Krebsarten gegen sie verschworen hatten. Und nur noch eine Knochenmark-Transplantation ihr Leben auf vier bis zwölf Monate verlängern könnte.

Der gerade 13 gewordene Teenager aus Oviedo, einem Vorort von Orlando im US-Bundesstaat Florida, entschied sich nach reiflichem Abwägen gegen den Eingriff. Und für eine Therapie, die nicht nur ihr Selbstwertgefühl steigerte. Sondern das von Millionen anderen auch.

Die niederschmetternde Diagnose kam am Valentinstag 2007

So sehr, dass Zigtausende in dieser Woche tieftraurig auf Facebook, Twitter und YouTube digitale Tränen verdrücken mussten. Talia Joy Castellano ist gestorben. Und stellvertretend für viele schreibt eine junge Bewunderin im Internet: „Schon verrückt, wie jemand, den du nie getroffen hast, einen speziellen Platz in deinem Herzen erobert hat.“

Das Mädchen, deren zweiter Vorname „Freude“ bedeutet, war gerade sieben geworden, als am Valentinstag 2007 die niederschmetternde Diagnose kam: Neuroblastom im vierten Stadium. Ein Krebs, der die Nervenzellen entarten lässt. Heilungschancen?

Die Ärzte im Arnold Palmer Hospital, erinnert sich Mutter Desiree, mieden das Wort bis zuletzt. Talia machte sich daran, mit unverbesserlichem Optimismus zu beweisen, dass es geht. Nach dem üblichen Dreiklang des Schreckens, Chemotherapie, Operation und Bestrahlung, galt das zarte Mädchen sogar ein Jahr lang als krebsfrei. Bis die Mediziner 2008 einen befallenen Lymphknoten nahe ihres Herzens und wenig später eindeutige Boten für Leukämie fanden. Und die ganze Tortur von neuem startete.

„Make-Up ist meine Perücke“

Irgendwann war Talia ihren eigenen Anblick leid. Die Chemo-bedingte Kahlköpfigkeit, die ausradierten Augenbrauen und Wimpern, die mattgelbgraue Haut. „Ich wollte mich endlich wieder so sehen, wie ich war“, sagte sie bei Ellen DeGeneres im Fernsehen.

Die Talkshow-Moderatorin war über YouTube auf Castellano aufmerksam geworden. Unter dem ironischen Titel „Make-Up ist meine Perücke“ hatte das Mädchen dort seit 2011 rund 150 liebevoll gestaltete Videos mit Schmink- und Überlebenstipps für Leidensgenossinnen produziert, die bis heute weltweit 45 Millionen Mal angeklickt worden sind.

Auf unwiderstehliche Weise, die den Betrachter immer wieder umbläst, lächelt eine Sterbenskranke hier regelmäßig für ein paar Minuten den nahenden Tod weg und verpasst der geschundenen Seele einen Lidstrich in den schönsten Farben. Dabei fällt kein falsches, kein pathetisches Wort.

Die aus den USA stammende Bewegung „Look Good – Feel Better“ (Gut aussehen, sich besser fühlen), die via Kosmetik-Industrie krebskranken Chemopatietinnen auch in Deutschland zu mehr Lebensbejahung anstiften will, hatte plötzlich eine neue Sonderbotschafterin.

Talia vertrieb bis zuletzt eine eigene Modelinie

Ärzte nicht nur in großen Kinderkrebskliniken lobten Talia Joy Castellano für ihren wunderbaren Weg, sich von einer teuflischen Krankheit abzugrenzen und, so lange es geht, das Gesunde in sich zu sehen, ohne die Mitkranken zu vergessen. Neben Covergirl, dem Make-Up-Hersteller, rührte sich auch das Designer-Label Urbana in Los Angeles. Dort vertrieb Talia bis zuletzt eine eigene Mode-Linie. Der Krebs hat die Produktion für immer gestoppt.

Vor wenigen Tagen verschlechterte sich ihr Zustand. Die Strapazen der jahrelangen Behandlung hatten dem abgemagerten Geschöpf alle Reserven genommen. In einem ihrer letzten Blog-Einträge im Internet schrieb sie: „Die Reise mit dem Krebs war eine erstaunliche Erfahrung. Doch jede Reise muss einmal ein Ende haben.“

Bevor sie im Beisein ihrer Eltern einschlief, soll sie gelächelt haben, hinreißend geschminkt.