München. Von der Waffe, die er der Terrorgruppe Nationasozialistischer Untergrund (NSU) lieferte, hatte Holger G. in Polizeivernehmungen von sich aus erzählt. Beim NSU-Prozess hatten Verteidiger detailliert zu den Verhörungen nachgebohrt. Denn Mitangeklagter Holger G. verlas vor Gericht nur eine Erklärung.

„Live ist live!“ Diese Antwort bekommt Wolfgang Heer, einer der Verteidiger der Beate Zschäpe, sicherlich nicht oft vor Gericht zu hören. Gestern aber schob ein Beamter des Bundeskriminalamtes (BKA) diese Bemerkung seiner Antwort nach. Heer, der etwas oberlehrerhaft versuchte den Zeugen ins Kreuzverhör zu nehmen, fragte nach den Vernehmungsbedingungen des Angeklagten Holger G.. So erkundigte er sich auch, weshalb eine der Befragungen im November 2011 trotz einer Trennscheibe erfolgte.

Der 49-jährige Beamte reagierte etwas genervt über die detaillierten Nachfragen und erklärte dem Anwalt, dass die Vernehmung kurzfristig erfolgt sei und man deshalb auf die Räume angewiesen war, die von der Haftanstalt bereit gestellt wurden.

Dutzende Fragen zu den Vernehmungen

Der Anwalt stellte dutzende weitere Fragen zu den Vernehmungen. Immerhin wird durch einige der zwischen November 2011 bis März 2012 von Holger G. gemachten Angaben die Hauptangeklagte Beate Zschäpe belastet. So soll sie anwesend gewesen sein, als im Jahr 2001 oder 2002 der Mitangeklagte Holger G. dem Trio in Zwickau die mutmaßliche Tatwaffe für die neun fremdenfeindlichen NSU-Morde übergeben hatte.

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Zschäpe soll damals Holger G. am Bahnhof in Zwickau abgeholt haben und auch anwesend gewesen sein, als Uwe Böhnhardt oder Uwe Mundlos die mitgebrachte Pistole ausgepackt und durchgeladen hatten.

Wolfgang Heer fragte mehrmals, wie in der Vernehmung das Gespräch auf diesen Waffentransport kam. Der Zeuge konnte die Frage anfangs nicht beantworten. Schob aber auf weitere Fragen des Anwalts nach, dass Holger G. von sich aus auf das Thema gekommen sei. Denn die Ermittler hätten im November 2011 noch nichts von diesem Waffentransport gewusst und hätten daher auch nicht danach fragen können.

Holger G. erzählte der Polizei von sich aus von der Waffe

Sollte das Kreuzverhör an diesem Punkt darauf abgezielt haben, dass die LKA-Ermittler Holger G. das Thema Waffentransport unterschieben wollten, so ging die Rechnung nicht auf. Denn die Antwort des BKA-Beamten machte klar, dass G. damals von sich aus erzählte, dass er dem NSU-Trio eine Waffe gebracht hatte.

Diese damalige Aussage des Angeklagten G. belastet Beate Zschäpe. Stimmt das Gesagte, wusste sie von einer funktionsfähigen Schusswaffe. Die Angaben belasten auch Ralf Wohlleben. Dieser soll den Waffentransport nach Zwickau zum NSU-Trio in Auftrag gegeben haben.

Akribische Würdigung der Beweise und Indizien

Mitangeklagter Holger G. hatte vor anderthalb Jahren in mehreren BKA-Vernehmungen viele Angaben gemacht. Im Prozess aber verlas Holger G. bisher nur eine Erklärung, hatte aber Nachfragen nicht zugelassen.

Bilder zum NSU-Prozess

Der zweite Verhandlungstag im Prozess gegen die Neonazi-Terrorgruppe NSU hat begonnen.
Der zweite Verhandlungstag im Prozess gegen die Neonazi-Terrorgruppe NSU hat begonnen. © REUTERS
Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe wird wieder dem Richter vorgeführt.
Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe wird wieder dem Richter vorgeführt. © TA
Mit Zschäpe stehen vier mutmaßliche Helfer der Terrorzelle vor Gericht.
Mit Zschäpe stehen vier mutmaßliche Helfer der Terrorzelle vor Gericht. © REUTERS
Bevor der Prozess fortgesetzt wird, spricht Zschäpe mit ihrem Anwalt Wolfgang Heer.
Bevor der Prozess fortgesetzt wird, spricht Zschäpe mit ihrem Anwalt Wolfgang Heer. © REUTERS
Die Anwälte der Ermordeten werfen den Verteidigern der Hauptangeklagten Beate Zschäpe vor, den Prozess zu verschleppen.
Die Anwälte der Ermordeten werfen den Verteidigern der Hauptangeklagten Beate Zschäpe vor, den Prozess zu verschleppen. © REUTERS
Der erste Prozesstag gegen die rechte Terrorgruppe NSU: Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe ....
Der erste Prozesstag gegen die rechte Terrorgruppe NSU: Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe .... © REUTERS
.... betrat ohne Handschellen den Gerichtssaal. Ihr wird ...
.... betrat ohne Handschellen den Gerichtssaal. Ihr wird ... © REUTERS
... die Mittäterschaft an den Morden und Anschlägen der rechtsradikalen Untergrundgruppe vorgworfen. Die beiden mutmaßlichen anderen Mittäter Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt begingen  vor ihrer Verhaftung Selbstmord.
... die Mittäterschaft an den Morden und Anschlägen der rechtsradikalen Untergrundgruppe vorgworfen. Die beiden mutmaßlichen anderen Mittäter Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt begingen vor ihrer Verhaftung Selbstmord. © dpa
Mitangeklagt sind vier mutmaßliche Helfer der Terrorgruppe wie André E., Holger G., Carsten S., der die Tatwaffe besorgt haben soll, und der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben.
Mitangeklagt sind vier mutmaßliche Helfer der Terrorgruppe wie André E., Holger G., Carsten S., der die Tatwaffe besorgt haben soll, und der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben. © Getty Images
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Beate Zschäpe mit ihren Anwälten Anja Sturm (r.), Wolfgang Heer and Wolfgang Stahl (l.).
Beate Zschäpe mit ihren Anwälten Anja Sturm (r.), Wolfgang Heer and Wolfgang Stahl (l.). © REUTERS
Die Sicherheitsmaßnahmen rund um den Prozess sind enorm. Das Verfahren gilt als größter Terroristenprozess seit der juristischen Aufarbeitung der linksradikalen RAF.
Die Sicherheitsmaßnahmen rund um den Prozess sind enorm. Das Verfahren gilt als größter Terroristenprozess seit der juristischen Aufarbeitung der linksradikalen RAF. © Getty Images
Hunderte Journalisten aus der ganzen Welt beobachten das verfahren. Im Gerichtssaal selbst ...
Hunderte Journalisten aus der ganzen Welt beobachten das verfahren. Im Gerichtssaal selbst ... © AFP
... sind nur 50 Plätze für Presse vertreter reserviert. Das Verfahren zur Vergabe der Plätze hatte für Proteste gesorgt - und musste nach einem Urteil des Verfassungsgerichtes wiederholt werden.
... sind nur 50 Plätze für Presse vertreter reserviert. Das Verfahren zur Vergabe der Plätze hatte für Proteste gesorgt - und musste nach einem Urteil des Verfassungsgerichtes wiederholt werden. © dpa
Vor dem Prozessgebäude kam es zum Teil zu ...
Vor dem Prozessgebäude kam es zum Teil zu ... © dpa
... tumulartigen Szenen und Demonstrationen gegen rechte Gewalt.
... tumulartigen Szenen und Demonstrationen gegen rechte Gewalt. © AFP
Eine junge, türkischstämmige Frau versucht gewaltsam in die Bannmeile vor dem Gericht einzudringen und wird von Polizisten abgeführt.
Eine junge, türkischstämmige Frau versucht gewaltsam in die Bannmeile vor dem Gericht einzudringen und wird von Polizisten abgeführt. © dpa
Adile Simsek (L), Witwe des von der NSU ermordeten Enver Simsek mit ihrer Rechtsanwältin - die Hinterbliebenen der Terroropfer sind als Nebenkläger vor Gericht vertreten.
Adile Simsek (L), Witwe des von der NSU ermordeten Enver Simsek mit ihrer Rechtsanwältin - die Hinterbliebenen der Terroropfer sind als Nebenkläger vor Gericht vertreten. © REUTERS
Die Anwälte von Beate Zschäpe auf dem Weg ins Gerichtsgebäude:  Wolfgang Stahl, Anja Sturm and Wofgang Heer (von links).
Die Anwälte von Beate Zschäpe auf dem Weg ins Gerichtsgebäude: Wolfgang Stahl, Anja Sturm and Wofgang Heer (von links). © AFP
Die Angeklagte Beate Zschäpe und die vier Mitangeklagten kommen in einem Fahrzeugkonvoi zum Gericht in München.
Die Angeklagte Beate Zschäpe und die vier Mitangeklagten kommen in einem Fahrzeugkonvoi zum Gericht in München. © dpa
Die Angeklagten auf dem Weg ins Gerichtsgebäude.
Die Angeklagten auf dem Weg ins Gerichtsgebäude. © Getty Images
Die Angeklagten auf dem Weg ins Gerichtsgebäude
Die Angeklagten auf dem Weg ins Gerichtsgebäude © REUTERS
Proteste gegen rechtsradikale Gewalt vor dem Prozess.
Proteste gegen rechtsradikale Gewalt vor dem Prozess. © REUTERS
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Was sind die Beweise und Indizien nun wert, auf denen die Anklage der Bundesanwaltschaft im NSU-Prozess beruht? Dieser Frage geht das Oberlandesgericht in München derzeit akribisch nach. So wurden gestern Vormittag stundenlang hunderte Fotos des ausgebrannten Zwickauer Unterschlupfes von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Gerichtssaal gezeigt. Ein sächsischer Brandermittler konnte aus dem Kopf zu jedem der Bilder sagen, wo genau in der Brandruine das Bild aufgenommen wurde, von wo das Feuer gekommen sein muss und welche Gegenstände warum vom Brand verschon blieben.

Für die nächsten Prozesstage sind dutzende Polizeibeamte und Kriminalisten geladen, um über ihre Erkenntnisse zu berichten. Sie alle sollen noch einmal erklären, was sie in den vergangenen anderthalb Jahren ermittelt und für die Akten notiert haben. Das Gericht und die Anwälte wollen sich selber ein Bild über die Beweise machen.