Köln/Mainz. . Die ersten sechs TV-Monate sind vorbei – Zeit für eine Bilanz. Dem ZDF gelang ein Siegeszug. RTL hingegen ist in der Krise. Ein Blick auf die Tops und Flops offenbart, dass es für den Höhenflug des einen Senders ebenso gute Gründe wie für den Absturz des anderen.

ZDF-Chef Thomas Bellut hat gut lachen. Die Mainzelmänner gehen aus den ersten sechs Monaten des TV-Jahres als Marktführer beim Gesamtpublikum hervor. Umso mehr Sorgen muss sich RTL machen. Der Kölner Privatsender dümpelt auf dem dritten Platz. Der neue Geschäftsführer Frank Hoffmann hat nur eine einzige Aufgabe: Er muss den Sender neu erfinden.

Der Reihe nach. Das ZDF führt die Quoten-Tabelle mit 13 Prozent Marktanteil an. Das Erste ist mit 12,2 Prozent Zweiter. Und der vierte große Sender Sat.1 ist mit mageren 8,2 Prozent auf dem besten Weg, in die zweite TV-Liga abzustürzen.

Mehrteiler wie „Das Adlon“ rechtfertigten immense Produktionskosten

Was hat das ZDF, was RTL nicht hat? Diese Frage steht im Mittelpunkt der Analyse. Dabei fällt auf, dass das Zweite gerade nicht von einem Sportjahr profitierten. Die Mainzer punkteten beim Publikum auf breiter Front. Event-Produktionen wie die Mehrteiler „Das Adlon“ und „Unsere Mütter, unsere Väter“ rechtfertigten ihre hohen Produktionskosten durch Marktanteile, die weit über'm Senderschnitt lagen. „Das Adlon“ brachte es auf 24,1 Prozent, „Unsere Mütter, unsere Väter“ auf immerhin 21,2 Prozent.

Aber das war längst nicht alles. Die fiktionalen Eigenproduktionen wurden ebenfalls gern genommen. Der montägliche „Fernsehfilm der Woche“, in der Regel Krimis oder Thriller“, verbuchte 16,4 Prozent, der „Samstagskrimi“, darunter „Das Duo“ und „Ein starkes Team“, sogar auf 20,4 Prozent. Auch die Pilcher-Schiene am Sonntagabend erreichte mit 15,1 Prozent überdurchschnittliche Quoten.

Guter „Wetten, dass..?“-Schnitt übertüncht Probleme

Selbst der Vorabend mit der „Soko“-Leiste war ein Erfolg. Die Regional-Ermittler schrammten knapp an der 20-Prozent-Marke vorbei.

Bei den Shows verbuchte das ZDF „Wetten, dass..?“ als Erfolg – was in der Summe sogar stimmt. Markus Lanz bespaßte bisher durchschnittlich knapp acht Millionen Zuschauer. Das bescherte ihm einen Marktanteil von 26,7 Prozent. Natürlich gibt der Durchschnittswert nicht die Entwicklung der Fernseh-Sause wieder, und da zeigt die Kurve nach unten. Kein Wunder, dass dieser Tage die Macher der Sendung darüber beraten, wie sie den angeschlagenen Unterhaltungsdampfer des Zweiten wieder flott kriegen.

Champions League fürs ZDF Sechser mit Zusatzzahl

Als Sechser im Lotto plus Zusatzzahl erwies sich für die Bellut-Truppe die Champions League der Fußballer. Eine Saison, die mit einem deutschen Finale abschloss, sorgte für die Quoten, die möglicherweise nie wieder erreicht werden. Jedenfalls gab die Champions League der ZDF-Sportberichterstattung den Kick: 34,6 Prozent im Schnitt sind kaum noch zu toppen. Im Gegenteil: In der kommenden Spielzeit dürfte es für die Mainzelmänner deutlich schwerer sein, die 54 Millionen Euro zu rechtfertigen, die sie für die Champions League raushauen.

RTL punktet mit Show-Klassikern wie „Let’s Dance“

Und RTL? Die Zeiten, in denen der Sender auch beim Gesamtpublikum Nr. 1 war, sind längst vorbei. Sicher: Bei den Kölner Privatfunkern liefen Show-Klassiker wie das „Dschungelcamp“ und „Let’s Dance“. Allerdings geht der wirklichen Mutter aller Casting-Shows die Luft aus. „Deutschland sucht den Superstar“ findet immer weniger Seh-Leute. Dass DSDS-Zampano Dieter Bohlen schließlich sein Heil beim Schlager suchte, wirkte eher wie ein Verzweiflungsakt als eine zukunftsweisende Idee.

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Dazu kommt, dass RTL mit Serien-Neustarts immer wieder Cobra-Wegmann-Erlebnisse hatte. Ob „Ballermann“, „MedCrimes“ oder „Mantrailer“ – bei sämtlichen Serien-Piloten hatte RTL erst kein Glück, und dann kam noch Pech dazu. Auch die international koproduzierte Action-Serie „Transporter“ bot quotentechnisch kaum mehr als viel Abgas-Rauch um nichts.

Schäferkordt setzte zu sehr auf prolliges Ballermann-TV

Der Sender spürt jetzt, dass Sender-Chef Hoffmanns Vorgängerin Anke Schäferkordt zu lange und zu stark auf Ballermann-Fernsehen gesetzt hat: zu knallig, zu prollig. RTL fehlen die Produktionen, mit denen sich auch ein ebenso zahlungskräftiges wie gebildetes Publikum locken lässt.

Nicht mal die Juni-Quoten geben Grund zur Hoffnung. Beim Gesamtpublikum sackte RTL von 11,4 auf bedrückende 10,8 Prozent ab. Und beim – im Hinblick auf die Werbewirtschaft – wichtigeren Publikum unter 50 fuhr der Kölner Sender ebenfalls schrumpfende Marktanteile ein. Mit 13,6 Prozent (–0,3 Punkte) verringerte sich der Abstand von RTL als Nummer eins im Markt auf seinen schärfsten Rivalen ProSieben weiter. Der Münchner Sat.1-Ableger verbesserte sich um 0,5 Punkte auf 12,1 Prozent.

ZDF bei den Jungen abgehängt – sogar von der ARD

Allerdings treiben die Quoten bei den Jüngeren auch den Verantwortlichen beim ZDF Sorgenfalten auf die Stirn. Bei den Zuschauern unter 50 läuft es gar nicht, wie die Juni-Quoten exemplarisch zeigen. Das ZDF sackte um 0,6 Punkte auf maue 6,0 Prozent. Damit liegen die Fernsehleute vom Lerchenberg hinter Kleinsendern wie Vox (7,6 Prozent), RTL II (6,7 Prozent) und sogar hinter der ungeliebten öffentlich-rechtlichen Konkurrenz der ARD. Was besonders schlimm aus Sicht der Mainzer: Das Erste legte mit 6,6 Prozent sogar leicht zu.