Essen. . „Die Sopranos“ gelten als eine der besten TV-Serien aller Zeiten. Wesentlichen Anteil an dem legendären Ruf der HBO-Produktion hatte James Gandolfini. Er prägte die Serie als Mafioso im Feinripphemd, der seinen Seelenheil nur noch mit Hilfe des Psychiaters fand.

Als James Gandolfini vor ein paar Jahren einen Boxkampf im New Yorker Madison Square Garden besuchte, da schallte es durch die Arena, aus tausenden Kehlen: „Tonyyyyyyyyy...“ Seinem Manager, der ihn begleitete, sagte er mit dem verschlagenen Grinsen, was ihn weltberühmt gemacht hat: „Sei nett zu mir, oder ich sag’ den Leuten, sie sollen dich umbringen.“

Ja, James Gandolfini, Amerikaner mit italienischen Wurzeln, das war Tony Soprano, der Mafioso im Feinripp-Unterhemd, und er würde es uns nicht übelnehmen, wenn wir ihn so in Erinnerung behielten. Denn „Die Sopranos“ wären ohne ihn kaum zur Fernsehserie geworden, die Kritiker unlängst mit einiger Berechtigung zur besten aller Zeiten gekürt haben. James Gandolfini, dieser wunderbare Schauspieler aus Westwood, US-Staat New Jersey, ist mit 51 Jahren bei einem Urlaubstrip in Rom gestorben, an einem Herzinfarkt.

Der Mann mit dem öligen Resthaar

Er hinterlässt eine Frau und zwei Kinder. Und viele Fans, die ihn über Jahre in ihre Wohnzimmer einluden. Er war unser böser Onkel, den wir heimlich bewundern ohne es unseren Eltern zu sagen und dem wir nie einen Wunsch abgeschlagen hätten. Und dessen plötzlicher Tod uns traurig macht. Obwohl wir ihn doch persönlich nie gekannt haben.

Wie kann es sein, dass uns ein Schwerverbrecher so sehr ans Herz wuchs, dass wir einem immer dicker werdenden Typ mit feistem Bauerngesicht und öligem Resthaar so viele Schweinereien verziehen? Und dass wir uns über unsere Komplizenschaft nie erschreckten?

Wahrscheinlich, weil wir Tony Sopranos Probleme immer verstanden haben. Er leidet am Dämon einer bösartigen Mutter, sein durchtriebener Onkel trachtet ihm nach dem Leben, seine Frau ist intelligenter als er, seine Kinder gehorchen ihm nur gelegentlich, die Geliebten sind hysterisch, die Geschäfte purer Stress, und die Konkurrenz schläft nicht.

Da hilft nur der regelmäßige Besuch bei der Psychiaterin.

Die Doppelgesichtigkeit eines Mannes, der, wenn es sein muss, kaltblütig killt, um dann den Vati im Bademantel in der spießigen Einfamilienhausidylle zu geben und dabei zuweilen sogar seinen eigenwilligen Charme zu versprühen, das war Gandolfinis schauspielerisches Meisterstück. Er entwickelte es in insgesamt 86 Folgen in sechs Staffeln. Gandolfini sackte sämtliche bedeutenden Fernsehpreise mehrfach ein und soll zuletzt eine Million Dollar pro Folge kassiert haben. Das ZDF, mutlos, wie das öffentlich-rechtliche Fernsehen nun mal ist, stieg frühzeitig aus; es heizte immerhin den Verkauf der DVD-Boxen an.

Komödien spielte er nie

„Ich dachte, sie wollten einen attraktiveren Typ für diese Rolle“, sagte Gandolfini in einem Interview einmal und hatte dabei vermutlich all die Pacinos und De Niros im Kopf, die auf solche Gangstergrößen abonniert sind. Doch wenn man erzählen will, dass das Böse gar nicht sensationell, sondern oft ganz kleinkariert daherkommt, dann war Gandolfini die ideale Wahl.

Seine bullige Visage freilich schränkte das Rollenangebot ein, in vielen seiner rund 50 Filme spielte er Psychos und Brutalos, Halunken und Verlierer. Aber selbst bei kleineren Auftritten war das unerhörte Talent des Schauspielers stets greifbar.

Warum man ihn so gut wie nie in Komödien sah? „Hat man mir nie angeboten“, antwortete James Gandolfini knapp. Geschadet hat es ihm nicht.