Mexiko-Stadt. Nicaragua will den chinesischen Telekom-Milliardär Wang Jing eine Meeresstraße zwischen Pazifik und Atlantik bauen lassen. Eine solche Verbindung könnte eine Goldgrube werden, hofft die Regierung. Geplanter Baubeginn für das Mega-Projekt, das rund 40 Milliarden Dollar kosten soll, ist in einem Jahr.

Geht es nach dem Willen von Nicaraguas Präsident Daniel Ortega, dann bekommt der Panama-Kanal in absehbarer Zeit Konkurrenz. Das Parlament in Managua stimmte am Donnerstag mit großer Mehrheit einer Regierungsvorlage zu, die den Bau einer eigenen Wasserstraße zwischen Pazifik und Atlantik vorsieht. Geplanter Baubeginn für das Mega-Projekt, das rund 40 Milliarden Dollar (30,3 Milliarden Euro) kosten soll, ist in einem Jahr.

Finanziert wird der zweite interozeanische Wasserweg in Zentralamerika von dem chinesischen Konsortium HK Nicaragua Canal Development Investment Co. Limited mit Sitz in Hongkong. Dahinter verbirgt sich der chinesische Telekom-Milliardär Wang Jing. Den Plänen zufolge soll die „Großer Kanal“ getaufte Wasserstraße in zehn Jahren fertiggestellt werden. Das chinesische Konsortium soll dann für mindestens 50 Jahre die Betreiber-Rechte erhalten.

Schon Humboldt träumte von einem Kanal in Nicaragua

Neu ist die Idee nicht. Bereits der deutsche Entdecker Alexander von Humboldt träumte Anfang des 19. Jahrhunderts von einem Kanal durch Nicaragua. 1849 unterzeichneten der US-Unternehmer Cornelius Vanderbilt und die nicaraguanische Regierung einen Vertrag über den Bau der Wasserstraße. Allerdings wurde das Projekt nie fertiggestellt. Nachdem die USA 1904 von Frankreich die Konzession für den Panamakanal erworben hatten, gewannen die Befürworter der südlicheren Route Oberhand.

Nicht ganz unbeteiligt soll daran ein Lobbyist gewesen sein: Vor der entscheidenden Abstimmung ließ er unter den US-Senatoren Briefmarken verteilen, die den ausbrechenden Vulkan Momotombo in Nicaragua zeigten. Dass der nächste aktive Vulkan mindestens 13 Meilen von der geplanten Kanalroute entfernt lag, spielte dann keine Rolle mehr. Der US-Kongress stimmte mit großer Mehrheit für den Panamakanal.

Seit Eröffnung mehr als eine Million Schiffe auf dem Panamakanal

Der rund 80 Kilometer lange Panamakanal verbindet den Atlantik mit dem Pazifik und ist eine der meist befahrenen Wasserstraßen der Welt. Pro Jahr passieren zwischen 13.000 und 14.000 Schiffe den Kanal. Seit seiner Eröffnung 1914 waren es insgesamt über eine Million Schiffe. Die Gebühr hängt von der Größe des Schiffs und der Art der Ladung ab, durchschnittlich müssen die Reedereien derzeit etwa 250.000 Dollar für die Passage bezahlen. Um künftig auch Schiffe der sogenannten Post-Panamax-Klasse mit bis zu 12.000 Containern schleusen zu können, wird der Kanal derzeit ausgebaut. Das 5,2 Milliarden US-Dollar (3,9 Mrd Euro) teure Projekt soll im kommenden Jahr abgeschlossen werden. (dpa)

Noch ist unklar, ob es sich um eine Schnapsidee des sandinistischen Präsidenten Ortega handelt oder um ein machbares Projekt mit Zukunft, rund 1000 Kilometer nördlich des Panama-Kanals. Der ehemalige Verwalter des Panama-Kanals, Alberto Alemán Zubieta, jedenfalls hält das geplante Projekt für sinnlos. Die Verbindung durch Nicaragua sei mit rund 190 Kilometern doppelt so lang wie das Gegenstück in Panama. Zudem seien massive Tidenunterschiede auszugleichen.

Kritik der Umweltschützer

Auch Politiker und Umweltschützer in Nicaragua kritisieren das Projekt, das ohne wirkliche Debatte mit der Mehrheit der Regierungspartei FSLN durch das Parlament geboxt wurde. „China bekäme über den Kanal einen strategischen Zugang zu Nordamerika, den das Land bisher nicht hat“, Heinz Dieterich, Forscher an der Universität UAM in Mexiko-Stadt.

Hauptkritikpunkt ist, dass noch nicht einmal eine Route festgelegt ist und es daher auch keine Machbarkeitsstudie gibt. Beide denkbare Verläufe bergen Probleme. Nutzt man den großen Nicaragua-See, wird der gerade erblühende Tourismus massiv gestört; zudem machen Umweltschützer Bedenken geltend, da der See ein wichtiges Süßwasser-Reservoir ist.

Eine Milliarde Dollar Durchfahrtsgebühren

Zu dem Kanalprojekt gehören laut Ortega auch eine Eisenbahnlinie, zwei Flughäfen sowie eine Ölpipeline. Beginnen sollen die Arbeiten im Mai kommenden Jahres. Bis dahin werde auch die Machbarkeitsstudie vorliegen.

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Die Regierung in Managua weiß, dass eine solche Ozeanverbindung eine Goldgrube ist: Panama nimmt jährlich über eine Milliarde Dollar an Durchfahrtsgebühren ein. Eine Fahrt durch das Nadelöhr kostet für einen Frachter mit 6000 Containern über 350.000 Dollar. „Das Projekt ist eine Chance für die Familie Ortega, sich in großartiger Art und Weise zu bereichern“, moniert die Opposition.

Auch der Panama-Kanal wird erweitert

Sollte der Nicaragua-Kanal tatsächlich gebaut werden, bedeutet das für den Panama-Kanal das Ende des Monopols zwischen Atlantik und Pazifik. Dabei erweitert das Land die Wasserstraße gerade für viele Milliarden.

Heute können nur „Panamax“-Frachter mit maximal 294 Metern Länge und 32,3 Metern Breite die nach dem Suezkanal zweitwichtigste Wasserstraße der Welt passieren. Mit der Erweiterung soll der Kanal für die immer zahlreicher werdenden Containerschiffe schiffbar gemacht werden, um ihnen den Tausende Kilometer Umweg um Kap Horn in Südamerika zu ersparen.

„Wasserstraße ist nicht notwenig“

„Ich kann nicht sehen, wozu eine Wasserstraße in Nicaragua notwendig ist, wenn wir doch den Panama-Kanal haben, der gut funktioniert“, Alberto Alemán Zubieta, Ex-Verwalter des Panama-Kanals.