Berlin. NDR-Filmerinnen recherchierten zwei Jahre lang im Milieu. Tina Soliman und Sonia Kennebeck müssen schon mehr als ein paar knallige Schlaglichter liefern. Ihre These: Von der Legalisierung der Prostitution in Deutschland haben vor allem Bordellbetreiber und Steuereintreiber profitiert.

Nathalie findet es okay, ihre Jungfräulichkeit im Internet zu versteigern. Da sieht man doch mal, was man wert ist. Sexauktionen wie bei Ebay – was ist denn schon dabei? Vielleicht ist es ja die Beiläufigkeit, mit der moralische Bedenken beiseite gelächelt werden, die dem NDR-Dokumentarfilm „Sex – Made in Germany“ (ARD, Montag, 22.45 Uhr) seine größte Sprengkraft gibt. Tabubrüche, so scheint es, sind das schon nicht mehr.

Die Privatsender arbeiten sich freilich seit Jahren an Sexgeschichten ab. Möglichst lärmig natürlich. Das verspricht immer noch gute Quoten, selbst wenn man sich fragen muss, wie stimulierend der 38. Bericht über einen Swingerclub in der Lausitz noch sein kann, wenn er es überhaupt je war. Oder das 15. Porträt des Düsseldorfer Puffchefs, der doch in Wirklichkeit ein so gutes Herz hat und ein echter Frauenversteher ist.

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Tina Soliman und Sonia Kennebeck müssen fürs öffentlich-rechtliche Fernsehen schon mehr als ein paar knallige Schlaglichter bieten. Und das gelingt ihnen nach zweijähriger Recherche auch. Ihre These: Von der Legalisierung der Prostitution in Deutschland haben vor allem Bordellbetreiber und Steuereintreiber profitiert.

„Berlin ist doch wie Pattaya“

Und: Sextouristen aus aller Welt, die von einem Amüsierbetrieb zum nächsten reisen. Denn, so zynisch das klingen mag: Das Preis-Leistungsverhältnis stimme – made in Germany eben. „Ich wundere mich immer, dass alle über Thailand reden“, tönt ein Bordellchef im Interview, „Berlin ist doch wie Pattaya.“ Auch das gehört zu den wohl überraschenden Erkenntnissen des Films – als Billigparadies für Sextouristen hat man Deutschland bislang nicht unbedingt wahrgenommen.

Die Autorinnen werten eher selten, sondern zeigen lieber, weil sich ein Kommentar über einen Zuhälter, der über die Ressource Frau und die höhere Belastbarkeit von Osteuropäerinnen schwadroniert, erübrigt. Der wirkt für sich. Da wo es nötig ist, schaffen sie Ausgewogenheit.

Der rumänischen Hure, die aus blanker Not anschafft und in einem sogenannten Flatrate-Bordell bis zu 40 Freier an einem Tag befriedigen muss, stellen sie eine selbstbewusste Studentin entgegen, die sich über eine Webcam im Internet pornographisch betätigt oder eine Prostituierte in einem Luxusclub, die nach eigenen Angaben 15.000 Euro im Monat verdient: Das Sexgeschäft, mit dem jährlich 14,5 Milliarden Euro umgesetzt werden, hat viele Facetten, es wäre allzu billig, ausschließlich die grauenhaften aufzulisten.

Kein Fest für Voyeure

Dabei ist der Streifzug durchs Milieu, anders als bei den Marktschreiern von RTL 2 und Co kein Fest für Voyeure, die man mit ein paar nackten Tatsachen vor den Bildschirm locken will. „Sex – made in Germany“ ist eher eine detaillierte Bestandsaufnahme, ein nüchterner Blick in eine Geschäftswelt von ungeheuren Dimensionen. Das ist seriös. Und das darf man von der ARD ja auch erwarten.