Berlin.. Das Hochwasser hält auch am Dienstagmorgen hunderttausende Menschen im Osten und Süden Deutschlands in Atem. Bundeskanzlerin Angela Merkel macht sich ein Bild von der Lage in Passau, wo die Pegelstände langsam sinken. In Sachsen-Anhalt ist die Situation schon jetzt dramatisch.
Die braune Flut wandert weiter durch Süd- und Ostdeutschland: Während das besonders stark betroffene Passau das schlimmste möglicherweise schon überstanden hat, verschärft sich die Lage an anderen Orten: etwa in Regensburg etwa und im Bundesland Sachsen-Anhalt.
In Passau sank im Laufe der Nacht der Pegelstand von Inn und Donau wieder leicht. „Aber es geht sehr, sehr langsam“, sagte ein Sprecher des Krisenstabs. Die Stadtwerke hatten die Trinkwasserversorgung in der Stadt gekappt - denn durch das Flusswasser droht eine Verunreinigung. Der Strom war abgestellt. Auch die Festnetz-Telefone funktionierten nicht mehr.
Die Kanzlerin verspricht Hilfe
Bei ihrem Besuch in der überschwemmten Stadt Passau hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rasche Hilfen für die Flutgebiete angekündigt. Der Bund werde 100 Millionen Euro als Soforthilfe für die betroffenen Regionen in Deutschland bereitstellen, sagte Merkel am Mittwoch in Passau. "Vor allem geht es darum, dass wir jetzt unbürokratisch auszahlen", fügte die Kanzlerin hinzu.
Das Bundesland Bayern hatte bereits am Montag eine Soforthilfe von 150 Millionen für die bayerischen Flutregionen beschlossen. Daran soll sich nach dem Willen der Landesregierung in München der Bund zur Hälfte beteiligen. Die Summe könne bei Bedarf weiter aufgestockt werden, sagte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) am Dienstag.
In Regensburg verschärfte sich die Lage in der Nacht zum Dienstag weiter. Um 03.00 Uhr erreichte die Donau einen Pegelstand von 6,65 Meter. Es drohte die Überflutung mehrerer Straßen, die vorsorglich gesperrt wurden. In einer Schule im Stadtgebiet stand ein Notlager mit 365 Feldbetten zur Verfügung.
Sachsen-Anhalt erwartet höheren Pegel als 2002
Sachsen-Anhalt steht die größte Hochwasser-Welle noch bevor. In der Nacht habe sich die Lage zunächst nicht deutlich verschärft, hieß es im Lagezentrum des Innenministeriums. Für den heutigen Dienstag würden aber Rekord-Pegelstände erwartet. Nach offiziellen Einschätzungen droht dem Bundesland ein noch schlimmeres Hochwasser als bei der Jahrhundertflut 2002. Seither seien aber Deiche saniert und erneuert worden - die Situation sei daher nicht vergleichbar.
In Halle war die Lage nach Angaben eines Stadtsprechers bereits „dramatisch“. Die Saale habe stellenweise die Marke von 7,50 Metern überschritten. In der Plattenbausiedlung Halle-Neustadt liefen wegen des hohen Grundwasserspiegels bereits die Keller voll. In den frühen Morgenstunden würden 200 Feuerwehrleute aus dem Harz erwartet. Aus dem Raum Hannover sollten 100 000 befüllte Sandsäcke nach Halle gebracht werden.
Magdeburg vertraut auf seine Deiche
In Magdeburg sollte am Dienstagmorgen ebenfalls Katastrophenalarm ausgelöst werden. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) betonte, obwohl einige Pegel so hoch stünden wie noch nie, seien die Deiche nach aktuellen Erkenntnissen sicher.
In Sachsen blicken die Menschen ebenfalls besorgt auf die Elbe, die in der Nacht bedrohlich anschwoll. In Dresden wurde die erste Elbbrücke gesperrt. Ein Sprecher des Katastrophenstabs beruhigte jedoch: „Bilder wie 2002 von einer überschwemmten Dresdner Altstadt wird es aller Voraussicht nach nicht geben.“
Elbe überflutet erste Teile der Altstadt von Pirna
In Meißen stieg der Fluss mit 7,89 Metern über die Höhe der Hochwasserschutzwand. Es sei davon auszugehen, dass Teile der Altstadt überflutet seien, sagte ein Sprecher des Landkreises. Der Katastrophenstab der Stadt war in der Nacht zunächst wegen einer Überlastung der Telefonleitungen nicht mehr zu erreichen.
Die anschwellende Elbe drängt auch in die Altstadt der sächsischen Stadt Pirna. In flussnahen Gebieten musste in der Nacht der Strom abgeschaltet werden. Bewohner wurden aufgefordert, ihre Wohnungen zu verlassen. "Es gab aber keine Zwangsevakuierungen", sagte Stadtsprecher Thomas Gockel am Dienstag. Notquartiere stünden bereit. Die Anlegestelle und erste Straßen hinter dem Bahndamm stünden im Wasser. Das elbaufwärts liegende Obervogelgesang sei komplett überspült, dort kämen die Bewohner nur noch über Notwege in ihre Häuser. "Und der Scheitel ist noch nicht erreicht."
In den oberbayerischen Hochwassergebieten beruhigte sich die Lage langsam. Die Pegelstände im Landkreis Rosenheim seien weiter gefallen, die Hilfskräfte rüsteten sich nun für die anstehenden Aufräumarbeiten, sagte ein Sprecher des Landratsamtes. Die bayerische Staatsregierung will die Folgen der Hochwasserkatastrophe in Passau und Südostbayern mit einem Hilfsprogramm von 150 Millionen Euro lindern.
Thüringen meldet Entspannung
Auch in den Thüringer Hochwassergebieten entspannte sich die Lage. Das Innenministerium meldete sinkende Pegelstände im ganzen Land. Laut Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) wollte die Kanzlerin am heutigen Dienstag auch in die Thüringer Hochwassergebiete kommen.
Nach Angaben des Bundesinnenministeriums sind seit Samstag 4000 Kräfte des Bundes im Hilfseinsatz – darunter mehr als 1000 Soldaten. Einen Lichtblick gibt es: Der Deutsche Wetterdienst rechnet damit, dass der Regen in dem kommenden Tagen fast überall nachlässt.
Weicher Deich der Werra im hessischen Witzenhausen
Im nordhessischen Witzenhausen kämpfen Stadtwerkemitarbeiter, THW und Feuerwehr
gegen den Bruch eines Werradeichs. "Der Deich ist schon sehr weich. Wenn der
bricht, wird die Nordstadt mit vielen Einkaufsmärkten überflutet", sagte am
Dienstag der Geschäftsführer der Stadtwerke Witzenhausen, Thomas Meil, der
selbst mit anpackte.
Normal sei ein Pegelstand von etwa 1,70 Metern, nun liege dieser bei
knapp 4,50 Meter und die Scheitelwelle sei noch nicht erreicht, betonte er am
Vormittag. Rund 30 Mitarbeiter der Stadtwerke helfen beim Schleppen von
Sandsäcken. Mehr als 10 000 liegen schon, weitere 6000 bis 8000 sollen noch
einmal dazukommen. Trotz der angespannten Lage blieb er gelassen. "Wir leben
hier mit dem Wasser", betonte Meil.
Stadtbrandinspektor Hans-Heinz Staude gab sich zuversichtlich. "Am
Morgen war die Lage kritisch, jetzt sieht es besser aus", sagte er am Vormittag.
Insgesamt mehr als 100 Helfer waren im Dauereinsatz.
Hochwasser-Katastrophe auch in Österreich, der Slowakei und Ungarn
Auch im Ausland löste das Hochwasser katastrophale Zustände aus. In Österreich waren viele Zugverbindungen gesperrt, Innenstädte standen unter Wasser. In der Slowakei stellte sich die Hauptstadt Bratislava auf die nahende Donau-Flutwelle ein. Der slowakische Wetterdienst rief die höchste Warnstufe aus. Der Schiffsverkehr auf der Donau wurde eingestellt.
Wegen des nun auch Ungarn bedrohenden Donau-Hochwassers hat der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban am Dienstag für Teile seines Landes den Katastrophen-Notstand ausgerufen. Die Behörden würden insgesamt 8000 Armeesoldaten, 8000 Katastrophenschützer, 1400 Wasserbau-Experten und 3600 Polizisten mobilisieren können, erklärte Orban bei einem Besuch der Katastrophenschutz-Zentrale, die im Innenministerium eingerichtet wurde. In Ungarn wird die Scheitelwelle des Hochwassers ab Mittwoch erwartet, am Wochenende dürfte sie Budapest erreichen. In mehreren Ortschaften entlang der Donau begannen die Behörden mit Vorbereitungen zur Aufstellung mobiler Schutzdämme. Der Notstand gilt für die westungarischen Bezirke Györ und Komarom sowie für Teile des Bezirks Pest und für die an der Donau gelegenen Stadtbezirke von Budapest, meldete die staatliche Nachrichtenagentur MTI. (dpa)