Edmonton.

„Houston, wir haben einen Superstar“ schrieb die „Washington Post“ am Tag, an dem Chris Hadfield in der kasachischen Steppe aus seiner Sojuskapsel stieg. Die BBC erklärte ihn zum berühmtesten Astronauten seit Juri Gagarin und Neil Armstrong. In seiner kanadischen Heimat ist der singende und twitternde Raumfahrer zum Nationalhelden aufgestiegen. Zu einer Art Wayne Gretzky aus dem All, der es in Sachen Popularität locker mit dem Eishockeyhelden aufnehmen kann.

Nach 146 Tagen der Schwerelosigkeit lernt er derzeit im Nasa-Raumfahrtzentrum in Houston erstmal wieder neu zu gehen und Hände zu schütteln. Mitte Juni wird er nach Hause zurückkehren. Bei der kanadischen Raumfahrtbehörde in Montreal werden sie ihm einen triumphalen Empfang bereiten. Am Nationalfeiertag am 1. Juli wird er in Ottawa an der großen Parade teilnehmen, danach besucht er das weltgrößte Rodeo, die Calgary Stampede. Viele wichtige Politiker werden sich in seinem Ruhm sonnen und viele Top-Journalisten ihn interviewen wollen.

Kaum ein Astronaut der letzten Jahre hat die Welt so begeistert wie der schnauzbärtige Farmersohn aus Ontario. Fünf Monate lang schwebte Hadfield irgendwo da oben knapp 400 Kilometer über dem Planeten und erklärte den Erdlingen da unten seine Welt. Der erste kanadische Kommandant der Internationalen Raumstation (ISS) brachte den Menschen mit Twitter, Video und Foto den Kosmos nahe.

Hadfield hat vor den Augen der Welt geweint, geschlafen und sich die Zähne geputzt, um zu demonstrieren, wie das in der Schwerelosigkeit funktioniert. Er hat Gitarren-Konzerte aus dem All gegeben und Schüler aus dem Orbit unterrichtet. Er hat Millionen Menschen ermutigt, ihren Träumen freien Lauf zu lassen. So wie er es als Neunjähriger tat, als er im Fernsehen Neil Armstrongs Schritte auf dem Mond verfolgte und beschloss, Raumfahrer zu werden.

Mit seinen Funksprüchen zur Erde hat er Jugendträume wieder erwachen lassen und viel Persönliches preisgegeben. Unvergessen ist das Telefonat mit seinem Landsmann William Shatner alias Captain Kirk. Im Gespräch unter Kommandanten gestand er, dass auch Astronauten Angst haben.

„Meine größte Angst ist es, irgendwann an Bord nicht zu wissen, was zu tun ist.“ Deswegen hat er das ganze Leben damit verbracht, sein Handwerkszeug zu lernen, um diese Angst zu minimieren. Erst als Maschinenbaustudent und Ingenieur, dann als Top-Gun-Kampfpilot der kanadischen Luftwaffe und zuletzt als Raumfahrttechniker.

Doch was macht ein Überflieger wie Hadfield, wenn er nach 100 Millionen Kilometern zwischen Erde und Ewigkeit auf den Boden zurückkehrt? Für weitere ISS-Missionen ist der dreifache Vater mit 53 Jahren wohl zu alt. Er könnte Bücher schreiben, Vorträge halten, bei David Letterman auftreten und viel Geld verdienen. Doch Hadfield ist Wissenschaftler mit Leib und Seele, ein Missionar aus einer Welt, über die die Menschheit noch wenig weiß. Er will etwas bewegen.

Ausgerechnet in einer Zeit, in der es um die Raumfahrt nicht zum Besten steht. Die Nasa hat ihre Space Shuttles eingemottet, die kanadische „Space Agency“ steht vor massiven Budgetkürzungen. Im Fernsehen warb er dennoch leidenschaftlich für neue Raumfahrtprogramme: „Der Weltraum ermöglicht unbezahlbare Perspektiven.“ Wer, wenn nicht er, wüsste über sie zu berichten.