Augsburg. Vor dem Landsgericht Augsburg hat am Donnerstag der Prozess um den Tod der jungen Ursula Hermann begonnen. Die Zehnjährige war 1981 entführt und in einer Holzkiste vergraben worden. Sie erstickte. Der Angeklagte und seine Frau leugnen die Tat, die Anklage beruft sich auf Indizien.
Mehr als 27 Jahre nach dem Tod der zehnjährigen Ursula Herrmann in einer vergrabenen Holzkiste hat am Donnerstag vor dem Landgericht Augsburg der Indizienprozess gegen den mutmaßlichen Entführer und dessen Ehefrau begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 58-jährigen Fernsehtechniker Werner M. erpresserischen Menschenraub mit Todesfolge vor. Seine 62 Jahre alte Ehefrau ist wegen Beihilfe mitangeklagt.
Der Angeklagte leugnet die Tat
Werner M. sitzt seit vergangenem Jahr in Haft und leugnet die Tat. Er werde aber eine Erklärung abgeben, kündigten seine Anwälte vor Prozessbeginn an. Die Staatsanwaltschaft sieht den Angeklagten durch zahlreiche Indizien überführt. Unter anderem fanden Ermittler bei ihm ein Tonband, mit dem Erpressungsanrufe bei Ursulas Eltern abgespielt worden sein sollen. Bis Dezember sind für den langwierigen Indizienprozess 52 Verhandlungstage mit 200 potenziellen Zeugen angesetzt.
Der Angeklagte, der damals in der Nachbarschaft des Entführungsopfers wohnte, soll das Mädchen am 15. September 1981 auf ihrer Heimfahrt von einem Verwandtenbesuch vom Fahrrad gezerrt und in einem Waldstück in eine im Erdboden vergrabene nur 1,36 Meter hohe Kiste gesperrt haben. Durch die Rohre kam keine Luft, weil nasses Laub darüber lage. Ursula erstickte bereits nach wenigen Stunden. Ihre Leiche wurde erst nach 19 Tagen gefunden. Der Täter hatten drei Tage nach der Entführung mit einem Erpresserbrief zwei Millionen Mark Lösegeld von den Eltern gefordert.
Tonband soll Werner M. überführen
Gleich zu Prozessbeginn beantragte Verteidiger Walter Rubach, den Prozess auszusetzen. Das Gericht habe die 65.000 Blatt umfassenden Akten nicht genau gesichtet und kenne deshalb bedeutende Spuren nicht, die zu anderen Verdächtigen führten, sagte der Anwalt. «Wir verhandeln möglicherweise ins Blaue hinein.»
Als wichtiges Beweisstück für den Prozess wird ein erst 2007 bei Werner M. gefundenes Tonbandgerät gewertet. Die Ermittler glauben, dass damit bei mehreren Erpresseranrufen die Erkennungsmelodie des Radiokanals Bayern 3 abgespielt wurde. Laut Phonetik-Gutachten verursacht das Tonband spezifische Geräusche. Verteidiger Rubach erklärte, auch bei einem anderen Verdächtigen seien ein Tonband und Kassetten gefunden worden, die mit der Entführung in Verbindung stehen könnten.
Von Anfang an unter Verdacht
Oberstaatsanwältin Brigitta Baur dagegen erklärte, Spuren zu anderen Verdächtigen hätten sich aus mehreren Gründen zerschlagen. Das Gericht will bis zum Mittag über den Antrag der Verteidigung entscheiden.
Die Staatsanwaltschaft sieht Werner M. neben dem Tonband durch zahlreiche weitere Indizien als Drahtzieher der Entführung überführt. So war er hoch verschuldet und lebte zur Tatzeit in der Nachbarschaft der Familie Herrmann in Eching am Ammersee. Er gehört bereits seit 1981 zu den Tatverdächtigen und hatte sich in Widersprüche verstrickt.
Ursulas Eltern kamen nicht zum Prozess
Seiner Ehefrau werfen die Ermittler vor, sie sei in die Entführung eingeweiht gewesen und habe Textteile aus Zeitungen und Zeitschriften ausgeschnitten, mit denen Werner M. Erpresserbriefe bastelte. Das Paar lebte zuletzt in Kappeln (Schleswig-Holstein), wo Werner M. einen Einzelhandel für Bootsbedarf hatte.
Ursula Herrmanns Eltern sind in dem Prozess Nebenkläger, erschienen aber nicht zum Auftakt. Für sie sei es eine zu große Belastung, alle Details noch einmal zu hören, sagte ihre Anwältin Marion Zech. Den Eltern sei «Rache völlig fremd», betonte sie. Zudem sei es noch zu früh um zu sagen, ob die Richtigen auf der Anklagebank sitzen. (AP)