Washington. . Bei den Ermittlungen nach dem Anschlag auf den Boston-Marathon gibt es offenbar Bilder eines Verdächtigen. Das meldete am Mittwoch der US-Fernsehsender CNN. Berichte, wonach es eine Festnahme gegeben haben soll, wurden am Abend allerdings von der Bostoner Polizei dementiert.

Nach dem tödlichen Terroranschlag von Boston verfolgen die Ermittler US-Medienberichten zufolge eine konkrete Spur - eine bereits von mehreren Sendern vermeldete Festnahme eines Verdächtigen wurde vom FBI aber dementiert. Eine für Mittwochabend angekündigte Pressekonferenz zum Stand der Ermittlungen wurde von der US-Bundespolizei mehrfach verschoben und schließlich ganz abgesagt.

US-Medien berichteten am Mittwoch unter Berufung auf Ermittlerkreise, dass die Auswertung von Film-Material Hinweise auf einen möglichen Täter gibt. Die Videokamera eines Kaufhauses in Tatortnähe zeigt einen Mann, der einen schwarzen Rucksack in dem Bereich deponierte, wo am Montagnachmittag in der Innenstadt der US-Ostküsten-Metropole die zweite Bombe explodierte.

Der Verdächtige fiel den Fahndern auf, weil er im Unterschied zu umherstehenden Passanten, die verwirrt reagierten, gelassen blieb und weglief, als der Sprengsatz detonierte, schreibt die Zeitung „Boston Globe“. Der Fernsehsender NBC meldete, dass die Behörden „ein Gesicht haben - aber noch keinen Namen“. Meldungen über eine Festnahme bestätigten sich dagegen nicht. Ob der Anschlag, der drei Tote und über 180 Verletzte gefordert hat, der Aufklärung näher gerückt ist, bleibt offen. Die Bundespolizei FBI hat die Angaben am Mittwoch nicht bestätigt. Meldungen, es hätte eine Festnahme gegeben, wurden von der Bostoner Polizei über den Kurznachrichtendienst Twitter dementiert:

<blockquote class="twitter-tweet" lang="de"><p>Despite reports to the contrary there has not been an arrest in the Marathon attack.</p>&mdash; Boston Police Dept. (@Boston_Police) <a href="https://twitter.com/Boston_Police/status/324591574807891968">17. April 2013</a></blockquote>

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Terror mit Kochtopf 

Mit Akribie untersucht die Polizei am Mittwoch den Ort, an dem am Montag im Zieleinlauf des Boston-Marathons kurz hintereinander zwei Sprengkörper explodiert waren. Auf einem Hausdach in der Nähe des Unglücksortes hat die Bundespolizei FBI den Deckel zu einem der beiden mit Kugellagern, Metallsplittern, Nägeln und Schwarzpulver gefüllten Schnellkochtöpfe gefunden, die das Blutbad beim Marathon-Lauf in Boston ausgelöst haben.

Ein Teil des explodierten Schnellkochtopfes.
Ein Teil des explodierten Schnellkochtopfes. © Reuters

Wie der Fernsehsender CNN berichtete, hält das von Einsatzleiter Richard DesLauriers geführte 1000-köpfige Ermittlerteam den Fund für „bedeutsam“. Man verspricht sich von der Bombenhülle Rückschlüsse auf den Käufer. Und damit auf den oder die Täter, die drei Menschenleben auf dem Gewissen haben. Und über 180 teilweise schwer verletzte Teilnehmer und Zuschauer des traditionsreichsten Laufs der Welt.

Möglicherweise Eieruhren als Zeitzünder verwendet

Die zweckentfremdeten Koch-Utensilien wurden in schwarzen Nylon-Rucksäcken im Zielbereich des Marathonlaufs in Bodennähe deponiert. Sie bilden in Ermangelung anderer belastbarer Indizien oder eines Bekennerschreibens zurzeit die „erfolgversprechendste und zugleich schwierigste Spur“, wie Ermittler in Washington anonym erklärten.

Eine Spezialabteilung des FBI in Quantico untersucht mit Hochdruck Metall-Reste der Töpfe, in denen nach Angaben der „New York Times“ handelsübliche Eieruhren den Zündmechanismus auslösten. Ob aussagekräftige Fingerabdrücke oder DNA-Spuren gefunden wurden, ist bisher nicht bekannt. Parallel dazu werden Hunderte Handy-Videos, Filme und Fotografien gesichtet, die von Schaulustigen oder Fernsehsendern gemacht wurden.

Nachrichtendienste werten dazu Zehntausende Telefonate, E-Mails, Facebook-Einträge und Twitter-Nachrichten aus. In der Hoffnung, in den Tagen vor dem Anschlag auf Gespräche zwischen Tätern und etwaigen Hintermännern zu stoßen.

Schnellkochtöpfe schon häufiger als Bombenbehältnis verwendet 

Der Gebrauch der Kochtöpfe lässt nach Ansicht von Anti-Terror-Experten auf einen islamistischen Hintergrund schließen. „Dutzendfach kam die Methode in den vergangenen Jahren bei Anschlägen in Afghanistan und Pakistan zum Einsatz. In Ausbildungslagern von El Kaida werden angehende Terroristen regelmäßig mit dem Bau der vergleichsweise primitiven und billigen Sprengsätze vertraut gemacht“, sagte ein früherer FBI-Fahnder dem Sender Fox News. Das mit dem Terror-Netzwerk sympathisierende Internet-Magazin „Inspire“ veröffentlichte vor drei Jahren eine detaillierte Bauanleitung: Überschrift: „Wie Du eine Bombe in der Küche Deiner Mutter baust.“

Ein einfacher Schnellkochtopf kostet in den USA 25 Dollar. Das amerikanische Heimatschutzministerium machte schon 2004 auf sogenannte „pressure cooker“ aufmerksam, die seither mehrfach eine Rolle bei vereitelten Anschlägen spielten. Zuletzt 2010, als der aus Pakistan stammende Amerikaner Faisal Shazad den „Times Square“ in New York in die Luft jagen wollte. Eine Fehlzündung und wache Passanten verhinderten die Katastrophe. In Europa wurde die Methode zum ersten Mal durch vier radikal-islamistische Algerier bekannt, die im Dezember 2000 auf dem Weihnachtsmarkt in Straßburg ein Blutbad anrichten wollten. Sie wurden rechtzeitig festgenommen.

DesLauriers ist die Islamismus-Theorie zu einseitig. „Das Spektrum der Verdächtigen ist breit.“ Militante, rechtsextremistische und anarchistische Gruppen, die in Amerika seit Amtsantritt von Obama großen Zulauf verspüren, kämen ebenso als potenzielle Täter infrage wie Einzeltäter auf persönlichem Rachefeldzug.

Damit liegt der Fahnder auf der Linie des früheren Vorsitzenden im Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Klaus Jansen, nach den Attentaten vom 11. September 2001 Verbindungsbeamter des Bundeskriminalamtes beim FBI in Washington, sagte vor zehn Jahren: „Vom Schnellkochtopf führt keine direkte Spur zu El Kaida. Jeder kann sich in Heimarbeit so eine Bombe basteln.“ Anlass war damals Ulrich Vogel. Der verschuldete Immobilien- und Finanzmakler hatte die Deutsche Bank um Millionensummen erpresst und an Pfingsten 2003 im Hauptbahnhof von Dresden einen Koffer abgestellt. Darin: 1,6 Kilogramm Sprengstoff, eingebettet in Schottersteine, verpackt in einen Schnellkochtopf. Die Zündung misslang. Bevor Vogel enttarnt wurde, grassierte in Deutschland die Furcht vor einem Anschlag von El Kaida.