Essen. In André Erkaus „Das Leben ist nichts für Feiglinge“ muss Wotan Wilke Möhring – nach einem Schicksalsschlag frisch verwitwet – zusammen mit seiner Familie den Umgang mit Leben und Tot neu erlernen. Der Film ist eine tragikomische Hommage ans Dasein.

Die Pubertät ist nun wirklich keine leichte Zeit. Der Körper verändert sich, die Hormone spielen verrückt und zu Hause kracht es auch immer häufiger. Und wenn Mama sich dann auch noch versehentlich mit der eigenen Halskette stranguliert – dann kommt’s richtig dicke.

Genau dieser Schlag trifft Kim (in ihrer ersten Hauptrolle: Helen Woigk) und deren Papa Markus Färber (Wotan Wilke Möhring) aus heiterem Himmel und stößt die kleine Familie in eine lähmende Einsamkeit.

Der Tod als dauerpräsentes Thema

Aber damit nicht genug. Denn das Thema Tod zieht sich wie ein – nun ja – schwarzer Faden durch „Das Leben ist nichts für Feiglinge“. Nicht nur läuft Kim ständig in etwas aufgesetzt wirkender Gothik-Kleidung auf Friedhöfen umher. Auch wird bei Markus’ Mutter Gerlinde, gespielt von einer trotzig-verletzlichen Christine Schorn, Darmkrebs diagnostiziert, da liegt deren Schwiegertochter noch keine 24 Stunden unter der Erde.

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Nachdem die sture Seniorin zunächst versucht, ihre Krankheit geheim zu halten – statt Chemo macht sie vermeintlich Urlaub auf Neuschwanstein – sucht Gerlindes Pflegerin Paula (Rosalie Thomass) schnell den Kontakt zu deren Familie. Doch auch als Gerlinde kurz darauf bei Sohn und Enkeltochter einzieht, kann sie vor allem Markus nicht aus seiner Starre befreien. Markus-Darsteller Möhring überzeugt als mitleiderregender Witwer, den eine hartnäckige Melange aus Lethargie und Armseligkeit umgibt. Schließlich kommt’s wie’s kommen muss: Markus gerät mit seiner Tochter heftig aneinander, die daraufhin mit ihrem Schwarm Alex (Frederick Lau) nach Dänemark durchbrennt – eben jenem Urlaubsort, an dem Familie Färber noch glücklich und vor allem vollständig war.

Auf tragikomische Weise greift Regisseur und Max-Ophüls-Preisträger André Erkau in seinem zweiten Film das allzeit präsente und doch viel zu selten diskutierte Thema des Sterbens auf. Erkau experimentiert mit Witz und Herz, ohne dabei den Respekt vor der Thematik zu verlieren. Dabei setzt er dem auf dem gleichnamigen Roman von Gernot Gricksch basierenden Streifen vor allem ein Ziel: Lust aufs Leben machen.

Überspitzte Charaktere

Bei diesem Versuch schießen allerdings die Figuren an manchen Stellen über das Ziel hinaus. So wird vor allem bei Kims Freund Alex mit einem Rebellen-Charakter der Superlative bisweilen viel zu dick aufgetragen. Nicht nur versaut der coole Schulabbrecher und BMX-Fahrer seinem reichen Papa ordentlich die Geburtstagsfeier. Auch stiehlt er flotter Hand einen Luxuswagen und fährt damit beinahe einen Menschen über den Haufen. Warum tut er all das? Das erschließt sich wohl niemandem ganz genau.

Ähnlich überflüssig sind auch die Spinnereien der Pflegerin Paula. Die attraktive Teilzeitschauspielerin hilft den Färbers bei der Suche nach Kim in Dänemark und geht nicht nur Gerlinde mit ihren peinlichen Rollenspielen schnell auf die Nerven.

Aus Kampf wird Umarmung

Manchmal ist weniger eben doch mehr, und deshalb hätten etwas bescheidenere Charaktere dem Film keinen Abbruch getan – im Gegenteil. Nichtsdestotrotz erreicht „Das Leben ist nichts für Feiglinge“ sein Ziel – nicht zuletzt dank Möhrings und Schorns zaghaftem Kampf gegen den Tod, der sich bald in eine innige Umarmung des Lebens verwandelt. Und auch die von Kameramann Ngo The Chau gekonnt in Szene gesetzten Dünen Dänemarks machen Lust auf Leben
. . . oder zumindest auf Urlaub.

  • Wertung Drei von fünf Sternen