London.. Weil sie mit einem Koffer Kokain am Flughafen der indonesischen Insel Bali erwischt wurde, droht der Britin Lindsay Sandiford der Tod durch ein Erschießungskommando. Die 56-Jährige gibt an, dass sie mit dem Schmuggel nur ihrem Sohn helfen wollte.

Nervenkrieg um eine Britin, die sich auf Bali vor dem Erschießungstod fürchten muss: Lindsay Sandiford ist die erste Straftäterin, die seit fünf Jahren auf der Insel hingerichtet werden soll. Die Frau war im Mai 2012 mit einem Koffer Kokain am Flughafen erwischt worden. Die 56-Jährige behauptet, sie habe das Rauschgift geschmuggelt, um ihren Sohn aus den Fängen eines Drogenkartells auszulösen.

Gepflegte Reihenhäuschen. Das beschauliche Cheltenham badet in englischer Frühlingssonne. Es sind Welten, die zwischen dieser alten Heimat von Lindsay Sandiford und Bali liegen. In einer stinkenden, mückenverseuchten Zelle auf der Insel hofft die Britin derzeit auf Gnade. Aufgeschwemmt, das Gesicht grau nach Nächten ohne Schlaf, wartet die 56-Jährige auf einen Bescheid des Obersten Gerichtshofes von Indonesien. Nur dort kann das verhängte Urteil über sie noch revidiert werden.

Fünf Kilo Kokain geschmuggelt

Das Drama nahm hier, in der englischen Provinz, im vergangenen Jahr seinen unglaublichen Lauf. Sandiford, die viel Zeit in Indien verbringt, war heimgekommen, um einen neuen Reisepass zu beantragen. Da erfuhr sie, dass ihr Sohn Elliot (21) in Schwierigkeiten steckte: Die Polizei hatte nach einem Tipp eine Drogenproduktionsstätte in der Nähe ausgehoben, und Elliot wurde von den Dealern beschuldigt, das Geheimversteck verraten zu haben. In Todesangst war ihr Sohn angeblich untergetaucht. Kurze Zeit später, so erzählt Sandiford ihre Version in der „Mail on Sunday“, sei sie von dem Drogenkartell kontaktiert worden. „Du musst den Fehler deines Sohnes wieder gutmachen, indem du für uns eine Aufgabe übernimmst“, soll es geheißen haben.

Lindsay Sandiford bei ihrem Prozess in Indonesien.
Lindsay Sandiford bei ihrem Prozess in Indonesien. © afp | Unbekannt

Sandiford bekam mehrere Pakete und Flugtickets. Ihr Job: Die Fracht von Bangkok nach Bali zu transportieren. Am 17. Mai vergangenen Jahres fischte der Zoll die Rentnerin prompt auf dem Flughafen Bali aus der Menge. Unter ihren T-Shirts, befestigt im Innenfutter des Koffers, fanden sie fünf Kilo Kokain. Geschätzter Wert: zwei Millionen Euro. „Ich konnte mir denken, dass das keine Tulpenzwiebeln waren“, sagt Sandiford heute. „Aber ich hätte mit Schwarzgeld, Schmuck oder Waffen statt mit Kokain gerechnet.“ Die Strafen für Drogenhandel in Indonesien zählen zu den drakonischsten Maßnahmen weltweit.

Zu Hause gilt die Familie als "Nachbarn aus der Hölle"

In Cheltenham sind die Sandi­fords längst als „Nachbarn aus der Hölle“ bekannt. Einer der Söhne wurde als Teenager 16 Mal von der Schule suspendiert. Der älteste Sohn hat eine langjährige Haftstrafe wegen Raubes verbüßen müssen. „Als Mutter kann man eben nicht anders, als die Kinder zu schützen“, verteidigt sich die 56-Jährige jetzt unter Tränen. Zumindest der amateurhafte Transport der Drogen durch die Flughafenkontrolle spricht dafür, dass hier kein hartgesottener Gangster, sondern eine milde Mama zweier schwererziehbarer Jungs am Werk war.

Mittlerweile hat sich auch der britische Außenminister William Hague in den Fall eingeschaltet. Er kritisiert die „exzessive Strafe“ und hat „diplomatische Konsequenzen“ angedroht, sollte Sandiford hingerichtet werden. Beirren lässt sich Balis Justiz davon nicht.