Berlin. Gründe zum Ärgern gibt es für Bahnfahrer viele: Verspätungen, Ausfälle, fehlende Informationen. Das alles passiert im öffentlichen Verkehr. Für verärgerte Reisende gibt es Schlichtungsstellen wie die “söp“. Inzwischen macht auch Ryanair mit.

Es ist eine dieser alltäglichen Bahngeschichten. Dirk A. hatte sich übers Handy das Regionalticket von Frankfurt nach Hanau besorgt. Für 7,30 Euro. Doch die kleine Reise endete abrupt in Offenbach-Ost. Eine Panne? Der Bahn-Lautsprecher forderte A. noch zum Aussteigen auf – und schwieg dann. Ratlos und ohne Info, wie, wann und womit es weitergeht, standen unser Kunde und seine Mitreisenden eine halbe Stunde auf dem kühlen Bahnsteig. A. nutzte die Zeit. Am Mobiltelefon strickte er sich den Notfahrplan zusammen.

Hätte er besser nicht. Im nächsten Zug: Kontrolle. Doch die Fahrplansuche hatte den Handy-Akku überfordert. Er streikte. Der Ticket-Nachweis war unmöglich. So wurde A. zum Schwarzfahrer und 40 Euro los. Fahrpreisnacherhebung.

Den meisten Kunden geht es gar nicht ums Geld

Edgar Isermann sitzt in seinem Büro an der Berliner Fasanenstraße. „Den meisten Kunden“, sagt er, „geht es gar nicht so ums Geld. Sie sind einfach verärgert“. Sie möchten Entgegenkommen. Isermann, früher Präsident des Oberlandesgerichts Braunschweig, leitet söp, die „Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr“.

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Den Fall A. haben sie hier auf den Tisch bekommen – einer von 10.000 in drei Jahren seit dem Start. 7000 waren bahnbezogen. 2000 kamen aus Nordrhein-Westfalen, errechnet Geschäftsführer Heinz Klewe.

Den Start hat Brigitte Zypries (SPD) initiiert, 2009 Bundesjustizministerin. Damals fielen Züge aus, kamen zu spät, waren überfüllt. Das Klima zwischen Kunden und DB, die mit Sparen an die Börse wollte, schien vergiftet. Es brauchte Vermittler für Ärger und Erstattungsforderungen – vor allem in Fällen, in denen die bahneigene Beschwerdestelle, der Zentrale Kundendialog, Ablehnung signalisierte. „So“, sagt Isermann, „wurden wir zur zweiten Instanz“.

Erfolgsquote von 90 Prozent

Wer reist, stößt auf ein großes Ärgerpotenzial: Mit „Rail and Fly“, dem Zug zum Flug, machen Veranstalter gerne Reklame. Aber was ist, wenn der Zug zu spät ist und der Flieger nach Australien abgehoben hat? Wer zahlt, wenn der Fahrgast auf eisglattem Bahnsteig stürzt? Gibt es Geld zurück, wenn durch eine Verspätung im Inland der gebuchte Zug im Ausland abgefahren ist?

Nur eine kleine Auswahl aus dem Schlichterpensum von 2012. „Verspätungen im Fernverkehr, die Annullierung von Zügen, Bahncard-Probleme“ – das umschreibe die Masse der Beschwerden, sagt Isermann. Dann geht es zum Beispiel um die Erstattung der Taxikosten, wenn ein Anschluss verpasst wurde.

Kunde und Unternehmen müssen dem Schlichtungsvorschlag zustimmen

Der verärgerte Fahr- oder Fluggast muss sich zunächst an das Transportunternehmen wenden, dessen Leistung er rügt. Wenn hier die gütliche Einigung scheitert, kommt die söp ins Spiel. „Der Kunde kann sich telefonisch an uns wenden. Wir brauchen aber auch die ganze geführte Korrespondenz und eine Kopie des Tickets“. Die Schlichter, fünf Juristen, setzen anschließend einen Schriftsatz auf. Die Beschwerde wird von jeder Seite beleuchtet. Am Ende steht der Schlichtungsvorschlag. Kunde und Unternehmen müssen zustimmen.

Neun von zehn Schlichtungsvorschlägen sind erfolgreich, belegen die Statistiken der söp. Dann gibt es oft Reisegutscheine als Wiedergutmachung. Gerade haben die Berliner eine Nachzahlung von sieben Euro ausgehandelt, obwohl die Bahn 40 Euro erhöhtes Fahrgeld verlangt hatte. Am Bahnsteig hatte der Automat versagt. Im Regionalzug? Keine Nachlösemöglichkeit.

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söp ist unabhängig. Keine Staatsagentur, aber staatlich „anerkannt“. Die Stelle wird von freiwilligen Mitgliedern finanziert, den Unternehmen, über die sich die söp-Klientel beschweren kann. Neben der Staatsbahn sind das 200 weitere Bahn- und Busfirmen, neu auch Schifffahrtsbetriebe. Geschäftsführer Klewe: „Wir schlichten für Carsharing von Flinkster und Stadträder von Call a Bike“. Die Kette könnte bald komplett sein: Billigflieger Ryanair macht mit.

Der Ryanair-Beitritt gilt den Berlinern als kleiner Coup. Es ist der Einstieg in die Luftfahrtschlichtung. Auch Gespräche mit der Lufthansa entwickeln sich. „Anfangs waren wir für Airlines wie Pest und Cholera“, erinnert sich Chef Isermann. Jetzt scheint das Eis gebrochen.